Klaus Wohlrabe

Mein Gott

Mein Gott
ist klein
und überschaubar.
Ich muss ja schließlich
mit ihm auskommen

(wenn ich ihn schon habe).

Manchmal
sitzt er an meinem Abendbrottisch
und ich erzähle ihm

was und wo
und was er machen könnte

ja müsste
wenn …

Er seufzt.
Ich finde das gut.
Dann zeige ich ihm SEIN MONUMENT.

Manchmal
gefällt es ihm sogar.

(© Klaus Wohlrabe, November 1986)

Gedankenflug

In die rote Sonne steigst du nur allein
das erste Mal ist Einsamkeit ein Schrei

du fliegst!

Flug in den Himmel ohne Reim
auf das, was irdisch sei.

Das ist der Tag. Dann kommt die Nacht.
Am nächsten Morgen weißt du: Dies war nur ein Schritt.
Du hast gedacht. Na gut. Nun steht es da.

Nun nimm die andern mit.

(© Klaus Wohlrabe, Januar 1987)

Nächtlich am Fenster

Belüg dein Herz mit Mondenschein!
Es dringt die Nacht
allmählich ein.

Das Zimmer schwarz.
Im Fenster hängt der Mond
und gießt und gießt
sein Licht aus.

Es ist so still die Nacht.
Es ist so still die Nacht.

Sei doch nicht traurig, du!

Es ist so still die Nacht.

Du, öffne´s Fenster,
ruf hinaus:

Nichts, nichts.

(© Klaus Wohlrabe, 1968)

Unbestimmte Katalyse

Ich bin ein schwarzer Körper
der überall herausfällt.

Eine Zeitlang
wird er eingebettet.

Doch dann fällt er raus,
fällt sich selber aus.

Rückstand. Schlacke.
Unverdaut. Wer weiß.

Ich bin ein schwarzer Körper
der überall herausfällt.

Immerhin ist Hoffnung
dass
da
wo er nicht mehr ist …

sich irgendwas bewegt hat.

(© Klaus Wohlrabe, September 1986)

Zuckerstern

Nicht warten bis
dein Zuckerstern dahin fließt

in der Hitze …
bleiern wie der Tag.

Obwohl man Warten ja gelernt hat
und Norm, die alles tot tritt.

Nicht warten bis
der Sonntag Montag
ward.

Du hast Träume eingespart.

Der Strom der Dinge tritt ans Ufer
ohne Halt
dein Fuß schlägt Blasen
auf geschmolzenem Asphalt.

Du Narr hast Träume eingespart …

(© Klaus Wohlrabe, Februar 1987)

Das Haar

Einmal
brannte dein Haar
im dunklen Wald.
Die Sonne war

weg.
Nur dein Haar
das brannte hell …

mach es doch aus
das Haar …

(© Klaus Wohlrabe, August 1965)

Abend am Meer

Ungeahnter Schwarm
von Möwen schert auf …

silberkreischend

grauzornkämpfend
wolkenüberworfen
weicht der Tag.

Ich sehe noch:
ein aus Vögeln gebildeter
einziger schwerfälliger Vogel:

die Nacht.

(© Klaus Wohlrabe, September 1980)

Der Mörder

Der Mörder
sieht im Spiegel
sich

wie er das Messer nimmt
wie er das Gift sich mischt
wie er die
Flamme lischt
wie er
das Leben
bricht

wie er …

um mit allem
was da lebt
zu fallen …

(© Klaus Wohlrabe, Dezember 1986)

Frühschicht

Die frühe Bahn
ist kalt und grau.

Die Häuserzeilen
eilen.

Frühschicht.

Du siehst in Augen
die dich sehn
du siehst die
Hände
Füße
gehn.

Du siehst eine.

Ach vorbei.

Frühschicht

(© Klaus Wohlrabe, November 1986)

elena

von einer
frau bemalt
zu werden
langsam
zugedeckt mit farbe
schicht um schicht

jede narbe
bauch und glied

vergiss mich nicht
und streichel mich
wenn alles glüht

und endlich sich
zusammenzieht …

(© Klaus Wohlrabe, Juni 1986)

Tags:  , ,

Leave a reply

You may use these HTML tags and attributes: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>