Dr. Selar von der „Enterprise” wagt ein außergewöhnliches Experiment: eine Gedankenverschmelzung mit Datas Katze Spot. Aber soviel Unlogik haut die stärkste Vulkanierin um …
TNG-Kurzgeschichte von Adriana Wipperling
Zielstrebig steuerte Data auf den Tresen in „Zehn Vorne” zu, gefolgt von einer seufzenden Beverly. „Das ist nun schon der fünfte Drink, den Sie mir spendieren wollen, Data”, rief die Ärztin. „Ich finde es natürlich sehr nett, aber…”
Der Androide hielt den Kopf leicht schräg und blickte Dr. Chrusher aus seinen goldenen Augen prüfend an. „Sie haben immerhin fünf Tage, zwei Stunden, vierundzwanzig Minuten und dreizehn Sekunden lang auf Spot aufgepaßt. Die Sitten der Menschen sehen es vor, daß man sich für einen Gefallen in angemessener Weise revanchiert.”
Beverly lachte. „Aber Data! Das klingt ja fast so, als wäre es ein Opfer, sich um Spot zu kümmern! Sie wissen doch, wie gern ich Ihre Katze habe!”
„Dann kann ich davon ausgehen, daß Spot sich anständig benommen hat?” forschte Data nach.
Ein kurzes Stirnrunzeln huschte über Beverlys Gesicht. „Anständig benommen? Was meinen Sie damit?”
„Nun ja, Spot legt seit einiger Zeit Verhaltensweisen an den Tag, die bei bestimmten Aktivitäten äußerst… hinderlich sein können. Er hat die Angewohnheit, meinen Pinsel zu fangen, wenn ich male und auf meine Konsole zu springen, während ich arbeite. Wenn ich menschliche Nahrung ausprobiere, versucht er in sehr aufdringlicher Weise, an dieser Nahrungsaufnahme teilzuhaben. Und vor zehn Tagen fand ich eine Kopie von meinem Sherlock-Holmes-Holodeckprogramm unter meinem Bett…” Data unterbrach seinen Monolog und sah Beverly irritiert an.
Das Lächeln auf ihrem Gesicht war nämlich von Sekunde zu Sekunde breiter geworden, so daß sie jetzt beinahe von einem Ohr zum anderen grinste.
„Was ist so komisch Doktor?” fragte er unschuldig.
„Ach Data!” prustete die Ärztin los. „Sie beschreiben die Untaten Ihrer Katze mit einem so todernsten Gesicht, als ginge es um einen romulanischen Spion, der die gesamte Crew mit einem tödlichen Virus infiziert hat! Das i s t einfach komisch, Data! Sagen Sie, was sie wollen…”
Data neigte den Kopf wieder einmal leicht zur Seite und sein Gesichtsausdruck wirkte in diesem Moment beinahe einfältig. „Also, wenn ich ehrlich sein soll…” fuhr die Ärztin fort und zwinkerte verschwörerisch. „…als Spot bei meinen letzten Frühstück mit dem Captain auf den Tisch gesprungen ist und die Thunfisch-Sandwiches abgeleckt hat, schien der gute Jean-Luc ziemlich verstört zu sein.”
Data blickte sie alarmiert an. „Kann ich davon ausgehen, daß dies kein Scherz sein soll?”
„Fragen Sie den Captain!” konterte Beverly schmunzelnd.
Data setzte zu einer Erwiderung an, doch dann verstummte er, weil Dr. Selar sich zu ihnen gesellte. Sie grüßte die beiden Offiziere höflich wandte sich dann an Beverly. „Doktor, ich hielt es für nötig, Sie zu informieren, daß der zakdornianische Botschafter an Bord gebeamt ist. Er benötigt alle sieben Stunden eine Zytoboramin-Injektion gegen seine Wasserallergie. Da mein Kommunikator eine Fehlfunktion hat, beschloß ich, Sie persönlich zu benachrichtigen.”
„Gut zu wissen! Danke, Selar!” Beverly lächelte. „Möchten Sie sich nicht setzen und mit uns zusammen etwas essen oder trinken?”
„Danke. Nein. Heute ist der letzte Tag des Mondzyklus vor Kal’Rec. Ich faste.”
Data setzte einen zugleich naiven und nachdenklichen Gesichtsausdruck auf, was bedeutete, daß er im nächsten Moment sein lexikalisches Wissen zum Besten geben würde… „Kal’Rec. Ein vulkanischer Feiertag, der den Zweck hat, die Lehren Suraks durch eine Tat zu ehren, die die Überlegenheit der Logik über die fleischlichen Triebe symbolisiert.”
Selar nickte anerkennend. „Das ist korrekt, Data.” Dann verabschiedete sie sich und schritt würdevoll von dannen.
„Leider besitzt Spot nicht das nötige Maß vulkanische Logik, um über seine fleischlichen Gelüste zu triumphieren. Also, nehmen Sie ihm den Angriff auf mein und Jeans-Lucs Essen nicht so übel, okay!” Beverly schmunzelte. „Vielleicht würde Ihrer Katze eine kleine Gedankenverschmelzung mit Doktor Selar gut tun”, scherzte sie.
Doch das Lächeln verschwand von einem Augenblick zum anderen von ihrem Gesicht. Datas zufriedene Miene ließ sie nämlich ahnen, daß ihr gerade ein ausgesprochen folgenschwerer Satz herausgerutscht war…
* * *
Am nächsten Morgen betrat Data mit seiner zappelnden, widerstrebenden Katze im Arm die Krankenstation. „Sind Sie interessiert, mit Spot eine vulkanische Geistesverschmelzung durchzuführen, Dr. Selar?” fragte er unschuldig.
Der Androide schaffte es, daß die sonst so gelassene Vulkanierin für einen Augenblick völlig verblüfft aussah. „Was bezwecken Sie damit, Lieutenant Commander?” fragte sie, als sie sich wieder gefangen hatte.
„Doktor Crusher meinte, daß Ihre vulkanische Selbstkontrolle Spot dazu bringen könnte, sich in bestimmten Situationen angemessener zu benehmen”, antwortete er todernst.
Selar hob die Augenbrauen. „Ich fürchte, Sie sind das Opfer eines typisch menschliches Scherzes geworden, Data”, erklärte sie geduldig.
„Diese Erklärung habe ich auch schon in Betracht gezogen”, konterte Data. „Aber es ist trotzdem denkbar, daß die Umsetzung dieser Idee Spots Charakter positiv beeinflussen könnte.”
„Ich bin mir nicht sicher, ob Ihre Katze das ebenso sieht”, erwiderte Selar trocken.
„Sie möchten also die Verschmelzung nicht durchführen”, schlußfolgerte Data enttäuscht.
„Das habe ich nicht gesagt”, konterte die Vulkanierin. „Ich werde das Selbst ihrer Katze vorsichtig erkunden und dann eventuell…”
„Das bedeutet, Sie stimmen meinem Plan zu?” hakte der Androide hoffnungsvoll nach.
„Ihr Plan klingt nach einer interessanten wissenschaftlichen Erfahrung und einer mentalen Herausforderung, die mich reizt. Es wäre eine würdige Art, das Kal’Rec zu begehen.”
Mit diesen Worten streckte Selar die Hand aus und preßte ihre Finger auf Spots Gesicht. Die Augen der bedauernswerten Katze weiteten sich zur Größe von Ping-Pong-Bällen und ihr Fell sträubte sich wie bei einem Stromschlag.
„Dein Geist zu meinem Geist”, verkündete die Vulkanierin beinahe feierlich. „Deine Gedanken zu meinen Gedanken…”
Selar wappnete sich gegen den Zusammenstoß mit einer geballten Ladung Entropie, als ihr Geist den von Spot berührte. Ein blendendes weißes Licht, das von überall her zu kommen schien, wischte die Realität beiseite. Dann stand sie plötzlich inmitten ihrer heimatlichen Wüste. Der Himmel leuchtete in einen dunklen, fast bräunlichen gelb. Die Dämmerung zog herauf und T’Khuth, der vulkanische Mond, prangte über einer schwarzen, weit entfernten Bergkette.
Doch irgend etwas an diesem Szenario stimmte ganz und gar nicht… T’Khuth sollte von einem tiefen, trüben Dunkelrot sein, mit Kratern übersät und hinter dem Schleier der Atmosphäre halb durchsichtig. Doch nichts davon traf hier zu. Das, was anstelle des vulkanischen Mondes am Himmel stand, war eine massive weinrote Kugel, die aussah, als könnte man sie anfassen. Selar folgte einem unwiderstehlichen Drang, hob die Hand… und spürte plötzlich etwas weiches, flauschiges unter ihren Fingern. T’Khuth war ein Wollknäuel, das unter ihrer Berührung vom Himmel kullerte und über die Ebene rollte. Selar preschte hinterher. Unter ihren Händen, die von weichem rotbraunem Fell bedeckt waren, stob der feine Sand in alle Richtungen.
Sie war Dr. Selar, die stellvertretenden Chefärztin der U.S.S. ENTERPRISE, die ihr Examen an der medizinischen Fakultät mit Auszeichnung bestanden hatte, eine Vulkanierin, ein Wesen, das den Verstand und die Logik über alles schätzte… und sie war ebenso Spot, eine ganz normale Katze, deren Lebensinhalt darin bestand, zu fressen, zu schlafen, an Möbeln zu kratzen und sich von ihrem Herrchen knuddeln zu lassen… In der einen Sekunde verfügte sie über das gesammelte Wissen einer anerkannten Sternenflottenärztin, in der anderen wußte sie über die Anatomie fremder Lebewesen nur so viel, wie aus einer Frischfleisch-Packung ersichtlich war…
Selar packte das Wollknäuel, ließ sich auf den Rücken fallen und wälzte sich mit Hingabe im weichen, warmen Wüstensand. Das Knäuel hatte sich bereits halb aufgerollt, und für den Bruchteil einer Sekunde kam ihr in den Sinn, wie unlogisch es doch war, Purzelbäume zu schlagen, während sie sich langsam aber sicher in dem wirren roten Faden verhedderte. Sie wußte nicht, wie weit sie gerannt war, auf der Jagd nach ihrem Spielzeug, doch mit einem Mal sah sie einen riesigen Berg gegen den Horizont aufragen. So hoch und so steil, wie er war, konnte es nur der Mount Seleya sein, der höchste Berg Vulkans… aber das schien unmöglich. Seleya war schwarz und aus massivem Gestein, mit einem Gipfel, der von einer Sonneneruption in grauer Vorzeit abgeschmolzen worden war und nun wie dunkles Glas schimmerte. Dieser Berg wirkte jedoch eher rot als schwarz, und wie Gestein sah das Ganze auch nicht aus… Selar befreite sich von den lästigen Wollfäden und trat näher. Der Geruch, der ihr in die Nase stieg, wirkte auf sie gleichzeitig abstoßend und äußerst appetitanregend. Mit einer Mischung aus Entzücken und Entsetzen berührte sie die steile Wand von Mount Seleya – oder was immer das hier sein sollte. Ihre Befürchtungen waren richtig: Der gesamte Berg bestand aus Fleisch – aus frisch durchgedrehtem Schabefleisch, um genau zu sein. Ihr Herz schlug schneller und das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Ein riesiger Berg von ihrem Lieblingsessen und kein verdammter zweibeiniger Computer, der ihr erklärte, wieviel Kalorien pro Tag gut für sie waren… Davon hatte sie ihr Leben lang geträumt. Sie konnte es kaum erwarten, den heiligen Berg Seleya zu besteigen und vom Gipfel bis zum Fuß abzufressen!
Doch eine strenge, eindringliche Stimme hielt sie zurück. ,Du bist Vegetarierin, Selar’, sagte die Stimme. ,Alle Vulkanier sind Vegetarier! Es ist gegen unsere Ethik, tote Tiere zu verspeisen! Und dieses widerwärtige Zeug hier ist ganz bestimmt nicht dein Lieblingsessen!’
Selar fuhr abrupt zurück, erschrocken vor sich selbst. Sie mußte die geistige Verbindung mit diesem verdammten Vieh sofort unterbrechen, bevor sie unumkehrbar mit seiner Freßsucht kontaminiert wurde und sich zu etwas hinreißen ließ, was aus Sicht der vulkanischen Gesellschaft in keiner Weise akzeptabel war! Sie hatte unter großer Anstrengung zu ihrem Selbst zurückgefunden, als plötzlich der Boden unter ihren Füßen bebte. Der Fleischberg vor ihr wankte bedrohlich und einige Brocken lösten sich aus seiner Masse. Selar drehte sich auf dem Absatz um und rannte, so schnell sie konnte, davon. Doch sie stellte zu ihrem Unbehagen fest, daß sie immer wieder auf der Stelle trat und keinen Millimeter vorwärts kam…
Sie resignierte, sank erschöpft zu Boden, und wartete mit einer Mischung aus Heißhunger und Ekel darauf, daß eine Lawine von Schabefleisch sie unter sich begrub.
Dann gab es eine gleißende Explosion von rot, weiß und gelb und sie erwachte irgendwo auf der U.S.S. ENTERPRISE. Wo genau sie sich befand, wußte sie nicht, doch sie erkannte ihr Schiff an der Farbe, in der die Decke gestrichen war, und an dem hellgrauen Teppich, auf dem sie sich zusammengerollt hatte. Sie hatte die ENTERPRISE noch nie aus dieser Perspektive gesehen: Die metallisch graue Unterseite von Konsolen, die Füße von Sesseln und Crewmitglieder, die man zuerst am Geruch ihrer Stiefel und Hosenbeine erkannte… Schlagartig wurde ihr klar, daß sie sich auf der Brücke befand, und sie fragte sich besorgt, was für ein inakzeptables äußeres Erscheinungsbild sie wohl gerade zeigte: Zerzaust, verdreckt, voller Staub und Reste von Schabefleisch, die an ihrer Uniform klebten… Falls sie überhaupt eine Uniform trug… Voller Scham verkroch sie sich unter dem Sessel des Captains, und hoffte inständig, daß keiner sie gesehen hatte.
„Doktor Selar, kommen Sie bitte auf die Krankenstation!” ertönte plötzlich Dr. Crushers Stimme aus einem Kommunikator, von dem sie gar nicht gewußt hatte, daß sie ihn überhaupt bei sich trug. Blitzschnell schoß sie unter dem Sessel hervor und flitzte in Richtung Turbolift. Eher nebenbei registrierte sie, daß Captain Picard über sie stolperte und ein leises „Merde!” von seinen Lippen kam.
Dann befand sie sich in der Krankenstation, spürte Beverlys Hypospray an ihrem Hals und ein barmherziger Nebel umfing sie. Endlich hatte dieser Irrsinn ein Ende!
Als Selar die Hand von Spots Gesicht nahm, wirkte sie nicht weniger desorientiert als Datas Katze.
„Alles in Ordnung, Doktor?” fragte der Androide besorgt.
Die Vulkanierin nickte steif. „Natürlich, Lieutenant Commander. Das war… interessant.”
„Ich freue mich, daß ich zur Erweiterung Ihres Erfahrungshorizonts beitragen konnte”, erwiderte Data arglos.
„Dafür muß ich wohl in erster Linie Ihrer Katze danken”, konterte Selar mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck.
* * *
Selar erwachte nach einer Nacht, die von wirren Träumen über Schabefleisch und rote Wolle erfüllt gewesen war, in ihrem spartanischen Quartier auf der ENTERPRISE. Sie streckte und räkelte sich ausgiebig, leckte an der Rückseite ihrer Hand und fuhr damit ein paar mal über ihr Gesicht. Wie ferngesteuert begab sie sich zu ihrem Replikator, programmierte ihn mit irgend welchen Anweisungen – und staunte nicht schlecht, als sich ein großes Stück gegrillter Hähnchenbrust auf ihrem Teller materialisierte.
Sie blinzelte überrascht, denn so etwas hatte sie noch nie bestellt – geschweige denn, gegessen. Für einen winzigen Moment sagte sie sich, daß es schließlich nur repliziertes Fleisch war und kein reales Huhn dafür sein Leben gelassen hatte. Doch dann rief sie sich zur Ordnung. Wenn sie erst einmal anfing, Fleisch zu essen, würde sie vielleicht nie mehr damit aufhören können…
Verfluchtes Katzenvieh! Nicht umsonst schreckten die meisten Vulkanier davor zurück, sich mit dermaßen unvernünftigen Lebewesen zu verschmelzen!
Sie entschied, daß ein paar Stunden zusätzlicher Meditation nötig waren, bevor sie ihren Dienst auf der Krankenstation antreten konnte. Nicht auszudenken, wenn sie plötzlich von dem Bedürfnis überwältigt wurde, auf dem Fußboden herum zu kugeln oder rohes Fleisch in sich herein zu stopfen! Die tierischen Impulse zu bekämpfen, setzte harte Arbeit voraus.
Selar sagte Beverly Bescheid und wiegelte die neugierigen Fragen ihrer Chefin erfolgreich ab.
* * *
Ich sage dir ganz genau, was ich tun werde, Deanna!” rief Commander William Riker und seine zornige Stimme schallte durch das gesamte zehnte Vorderdeck. Vielleicht kam es aber auch nur Selar mit ihren empfindlichen vulkanischen Ohren so vor…
„Ich werde heute abend noch meine Sacken packen und zum Klassentreffen mit meinen Leuten von der Akademie fliegen!” fuhr Riker fort. „Vor zwei Stunden habe ich Captain Picard um Urlaub gebeten, und er hat zugestimmt. Also – nichts wie weg hier!”
„Und was wird aus deinen Pflichten gegenüber dem zakdornianischen Botschafter?” fragte Counselor Deanna Troi mit einem hintergründigen Lächeln.
Riker verzog das Gesicht. „Mit dem kann sich meinetwegen Worf abplagen!”
„Aber Will! Ein bißchen diplomatische Erfahrung tut deiner Karriere sicher gut”, erwiderte die Counselor zuckersüß.
„Wenn ich diesen zakdornianischen Wichtigtuer mit seinen plissierten Hamsterbacken noch einen Tag länger ertragen muß, tue ich garantiert etwas, das meine Karriere für immer ruiniert!” stieß Riker hervor.
Selar wandte sich wieder ihrem Kal’To-Spiel zu. Ein Teil von ihr wunderte sich zutiefst über den emotionalen Ausbruch des Commanders, der andere Teil hätte ihm am liebsten verständnisvoll gesteckt, daß er nicht der einzige war, der Probleme mit dem Botschafter hatte.
Sie erinnerte sich an ihre letzte Schicht auf der Krankenstation…
Der Botschafter quengelte pausenlos, weil sie seiner Meinung nach nicht rechtzeitig mit der Untersuchung fertig wurde.
„Sie haben einer Wasserallergie und der Planet, den wir anfliegen, besteht zu achtzig Prozent aus Wasser”, erklärte sie gleichmütig. „Ich muß daher bei der Zusammensetzung Ihrer Zytoboramin-Dosis äußerste Sorgfalt walten lassen.”
Doch damit ließ sich Seine Exzellenz nicht abspeisen. „Ich bin viel zu beschäftigt, um meine Zeit auf Ihrer Krankenstation zu vertrödeln!” tobte er los.
„Das ist nicht mein Problem”, entgegnete die Vulkanierin kühl.
„Oh, es wird aber bald Ihr Problem sein!” rief der Zakdornianer und seine Augen verengten sich. „Wenn Ihre Vorgesetzen erst mal erfahren, daß Sie unfähig sind, so eine einfache Arbeit in einer angemessenen Zeit zu erledigen…”
Er starrte sie voller Verachtung an und Selar fürchtete fast, er würde ihr das Hypospray aus der Hand reißen. Ihre rechte Hand schnellte hoch, getrieben von dem Impuls, diesem dreisten Kerl das Gesicht zu zerkratzen. Doch leider hatte sie an ihren Fingern keine Krallen.
Leider, leider, leider…
„Sie sind am Zug, Doktor”, sagte Data und holte Selar damit in die Gegenwart zurück.
Sie steckte ihr Kal’To-Stäbchen in das funkelnde, holographische Gebilde auf dem Tisch, das Hologramm löste sich auf und nahm danach eine gänzlich andere Form an. Einen Keim der Ordnung im schlimmsten Chaos zu finden… das war der Sinn dieses Spiels. Gab es eigentlich einen Keim der Ordnung im Geist von Spot? Wenn ja, hatte Selar ihn nicht gefunden.
Data tat den nächsten Zug, und das Hologramm über dem Tisch bildete eine makellose Kugel.
Der Androide blickte die Vulkanierin forschend an. „Ihr Gesichtsausdruck läßt die Schlußfolgerung zu, daß etwas Sie beunruhigt, Doktor”, bemerkte er. „Bereitet die Tatsache, daß ich dieses Spiel gewonnen habe, Ihnen Unbehagen?”
Selar schüttelte ihre Benommenheit ab. „Natürlich nicht, Data. Ich bevorzuge Sie schließlich als Gegner beim Kal’To, weil ich die Herausforderung suche und Sie fast immer gewinnen. Es wäre vollkommen unlogisch von mir, wenn ich mich darüber ärgern würde.”
Nein… Selars Unbehagen hatte einen ganz anderen Grund. Als die Kugel über dem Kal’To-Brett erschienen war, hatte sie nämlich nur an eines denken können: Wie viel Spaß es doch machen würde, dieses funkelnde runde Ding mit den Pfoten durch den Raum zu schießen und den lieben langen Tag damit zu spielen…
,So kann das nicht weitergehen’, beschloß sie. Schweren Herzens mußte sie sich eingestehen, daß sie mit diesem Problem nicht allein fertig wurde. Sie brauchte den Rat von Counselor Troi.
* * *
Counselor Deanna Troi blickte von ihrem Schokoladeneisbecher auf und schmunzelte. „Ich spüre, daß Sie das Verlangen haben, die Sahne von meinem Eis zu lecken, Doktor.”
Selars Gesicht wurde vor Verlegenheit ganz grün. „Die Gedankenverschmelzung… Ich fürchte, Spot hat einen Teil seines Katras in mir zurückgelassen”, erklärte sie. „Dies ist der Grund, weshalb ich Sie aufgesucht habe.”
„Hmm… Beverly hat mir erzählt, Sie hätten heute morgen den zakdornianischen Botschafter angefaucht”, bemerkte die Counselor nachdenklich – und leicht amüsiert.
„Bildlich gesprochen, meinen Sie wohl”, hakte die Vulkanierin vorsichtig nach.
„Nein. Sie haben ihn angefaucht wie… eine zornige Katze.”
Selar spürte zum zweiten Mal, wie eine Woge aus grünem Blut ihr ins Gesicht schoß.
Counselor Troi lächelte verständnisvoll. „Auch ich war schon kurz davor, den Herrn Botschafter anzufauchen”, gestand sie. „Ehrlich gesagt, war ich sogar schon kurz davor, ihn umzubringen.”
„Aber Sie haben diesen Impulsen nicht nachgegeben – im Gegensatz zu mir.”
„Soviel ich weiß, lebt der Botschafter noch”, entgegnete die Counselor sanft.
„Das ändert nichts an der Tatsache, daß ich die Kontrolle verloren habe”, widersprach Selar. „So etwas hätte mir nicht passieren dürfen!”
„Weil Sie Vulkanierin sind”, ergänzte Deanna.
„Richtig.”
Die Counselor atmete tief durch. „Vielleicht ist es gerade Ihre vulkanische Mentalkontrolle, die Sie in diesem Fall besonders verwundbar macht…” überlegte sie.
„Bei allem Respekt, Counselor, aber Sie verdanken allein meiner Mentalkontrolle, daß Ihnen die Sahne auf Ihrem Eis erhalten bleibt”, konterte Selar mit unbewegter Miene.
Deanna lächelte breit. „Ich möchte ganz gewiß nicht die vulkanische Lebensart in Frage stellen”, entschuldigte sie sich. „Es ist nur so… wir alle haben bestimmte… tierische Impulse in uns. Der Unterschied ist nur, daß wir Menschen – oder Betazoiden – uns nicht scheuen, einige dieser Impulse von Zeit zu Zeit auszuleben. Da Sie jedoch als Vulkanierin dazu erzogen worden sind, alle Ihre Gefühle zu unterdrücken, kann der mentale Kontakt mit einer Lebensform, die so unkontrolliert und hemmungslos emotional ist wie Spot, verheerende Folgen haben.”
„Sie meinen, ich besitze ein… emotionales Vakuum, das Datas Katze nun mit ihrer geballten tierischen Unvernunft aufgefüllt hat?” hakte die Vulkanierin nach.
Deanna nickte langsam. „Ich hätte es nicht präziser ausdrücken können, Doktor.”
„Was kann ich dagegen tun?” fragte Selar ganz direkt.
Die Counselor überlegte einen Moment. Dann lächelte sie. „Als Psychologin wollte ich eigentlich schon immer mal wissen, was im Kopf von Datas Katze vor sich geht…”
Selars Blick war voller Skepsis. „Sie bieten mir eine Gedankenverschmelzung an?”
Troi nickte.
„Counselor, ich muß Sie ausdrücklich warnen…”
Doch Deanna lächelte noch immer zuversichtlich.
Mit einem leisen Seufzen der Resignation legte Selar ihre Finger auf die Nervenpunkte in Trois Gesicht. „Dein Geist zu meinem Geist, deine Gedanken zu meinen Gedanken…”
* * *
Vier Tage später…
„Herein!” rief Data, als sein Türmelder läutete. „Dr. Selar”, bemerkte er überrascht, als seine Besucherin durch die Tür trat. „Kann ich irgend etwas für Sie tun?”
„Eigentlich bin ich gekommen, weil ich etwas für Sie tun könnte”, entgegnete die Vulkanierin. „Ich biete Ihnen an, mich um Ihre Katze zu kümmern, wenn Sie das nächste Mal zu einer längeren Außenmission oder vergleichbarem aufbrechen.”
Data schaute sie einen Moment lang ungläubig an, dann nickte er. „Das ist sehr zuvorkommend. Danke, Doktor. Ich komme auf Ihr Angebot zurück. Möchten Sie sich setzen?”
Selar bedankte sich und machte es sich in einem gemütlichen Sessel bequem.
„Ihr Einfluß auf Spots Verhalten hat beachtliche Auswirkungen”, fuhr der Androide fort. „Er reagiert jetzt auf einfache Anweisungen und ist beim Fressen wesentlich weniger… zügellos.”
„Das ist eine erfreuliche Nachricht”, erwiderte Selar.
Data studierte nachdenklich die Miene seines Gegenüber. „Sie haben gelächelt”, stellte er verwundert fest.
„Das habe ich mit Sicherheit nicht.”
„Doch. Ihre Mundwinkel haben sich für genau zwei Sekunden um null Komma sechs Millimeter gehoben.”
„Ich streite mich nicht mit einem Androiden”, resignierte Selar.
Mit einem lauten „Miau!” sprang Spot auf ihren Schoß.
* * *
Deanna Troi betrat den Transporterraum und beobachtete lächelnd, wie Commander Riker sich auf der Plattform materialisierte.
„Wie war das Klassentreffen?” fragte sie.
„Nett!” Riker lächelte zurück.
Als sie unvermittelte ihre Arme um ihn schlang, trat ein verdutzter Ausdruck auf sein Gesicht. „He, womit habe ich diese charmante Begrüßung verdient?” scherzte er.
Die Counselor antwortete nicht sondern rieb hingebungsvoll ihre Wange an Commander Rikers Uniformärmel…
Für einen Moment war er völlig verwirrt, doch dann wich der irritierte Blick einem breiten genießerischen Lächeln.
Fast meinte Deanna, die kühle, spöttische Stimme Doktor Selars in ihrem Kopf zu vernehmen…
Jeder muß von Zeit zu Zeit gegen tierische Impulse kämpfen, Counselor. Finden Sie selbst heraus, ob Emotionalität in diesem Fall hilfreicher ist als Logik.
© 2001 by Adriana Wipperling
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