Natürlich halten wir alle die Gründung der Föderation für die wohlverdiente Frucht unserer eifrigen Bemühungen um Frieden und Gerechtigkeit. Nun sind wir an geheime Informationen gelangt, die alles in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Ironischerweise hat es sich wieder einmal gezeigt, dass böse Taten manchmal gute Folgen haben …
Leitartikel der Federations Weekly vom 8. Mai 2301
Autor: Ruda aus dem Hause Boras
(Übersetzung von Anneliese Wipperling)
Die Macht der Entropie
Menschen, Vulkanier und viele andere Spezies der Föderation sind stolz auf die Fähigkeit, ihre Umwelt zu beherrschen und zu gestalten. Bei Vulkaniern geht es sogar so weit, dass sie glauben, ihre eigene Persönlichkeit nach einem höchst abstrakten Vorbild formen zu können.
Natürlich halten wir alle die Gründung der Föderation für die wohlverdiente Frucht unserer eifrigen Bemühungen um Frieden und Gerechtigkeit. Auch ich war bis vor kurzem dieser Überzeugung.
Nun sind wir an geheime Informationen gelangt, die alles in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Ironischerweise hat es sich wieder einmal gezeigt, dass böse Taten manchmal gute Folgen haben – und umgekehrt gute Absichten schlimme. Entscheidende Veränderungen in der Geschichte werden oft mehr oder weniger unfreiwillig vorangetrieben. Wohltäter wider Willen räumen die Stolpersteine beiseite. Private Rachefeldzüge schwächen die Gegner einer gerechten Ordnung. Und unfreiwillige Helden stemmen sich mit letzter Kraft gegen die Feinde des Friedens …
Man hat mich, einen Vulkanier, gebeten, den hundertfünfzigsten Jahrestag der Gründung der Föderation zu würdigen. Ich habe lange überlegt, welche Worte angemessen wären – welche Gedanken meine Leser schätzen würden. Aber dann wurde mir klar, dass es wohl eher meine Aufgabe ist, Informationen und Deutungen zu liefern, die man nicht auf jeder Plattform des föderalen Datennetzes finden kann.
Ich habe mich entschieden, Ihnen eine wenig bekannte Geschichte zu erzählen. Sie ist äußerst emotional, verwirrend und ziemlichunlogisch. Nicht gerade das, was man von Vulkan erwarten würde … aber vorher sind noch einige allgemeine Bemerkungen nötig.
Menschen und Vulkanier
Es war ein winziges privates Forschungsschiff, das in der Nähe des unterentwickelten, von einem verheerenden Krieg gebeutelten Planeten Erde eine Warpsignatur entdeckte. Bisher hatten die Vulkanier die Erde nicht weiter beachtet. Sie wussten, dass ihre humanoiden Bewohner noch ziemlich rückständig, unlogisch und gewalttätig waren. Jetzt waren womöglich alle bewohnten Planeten in weitem Umkreis in Gefahr. Die Vulkanier beschlossen, der Sache sofort auf den Grund zu gehen. Sie landeten in der Nähe der Basis, von der aus das Warpschiff gestartet war.
Die Menschen empfingen die Außerirdischen erstaunlich herzlich. Es sah fast so aus, als wenn sie ihre Ankunft erwartet hätten … als wenn ihnen jemand erklärt hätte, dass die Fremden aus dem All Freunde wären, denen man bedingungslos vertrauen könnte.
Für die Vulkanier war der persönliche Kontakt mit den Bewohnern der Erde ziemlich irritierend. Der Konstrukteur des Warpschiffs war ein Mann mittleren Alters, der sich aus ihrer Sicht wie ein Verrückter aufführte. Er hopste zu extrem laut hämmernder Musik im Kreis herum, trank hochprozentigen Alkohol und verletzte die Privatsphäre der Vulkanier, indem er dauernd versuchte, sie zu umarmen.
Beide Seiten trennten sich mit gemischten Gefühlen. Die Menschen fanden die Aliens nicht besonders amüsant und die Vulkanier grübelten darüber nach, wie eine so undisziplinierte und vergnügungssüchtige Spezies es fertig bringen konnte, ganz ohne Hilfe von außen so eine gewaltige Entdeckung zu machen. Respekt mischte sich auf beiden Seiten mit Unverständnis und Verachtung. Jedenfalls war die Besatzung des Forschungsschiffs ganz froh, dass sie das Problem schon bald bei der planetaren Regierung Vulkans abladen und sich wieder ungestört ihren eigenen Interessen zuwenden konnte.
Ein ungünstiger Moment
Vulkan ist auf den ersten Blick eine einheitliche, demokratische und wohlgeordnete Welt. Es ist nicht üblich, Konflikte zuzugeben oder gar offen auszutragen. Meine Spezies war dem vollständigen Untergang so nahe, dass sie nie wieder einen Blick in diesen Abgrund werfen möchte. Wir sind fasziniert vom Gedanken der Makellosigkeit. Das Volk findet nichts dabei, dass die meisten Beiträge im Datennetz zensiert sind und dass es für sensible Diskussionsplattformen Passwörter gibt, die verhindern, dass Außenstehende – oder gar Außenweltler – auf unsere Probleme stoßen. Die perfekte Fassade ist uns überaus wichtig …
Zum Zeitpunkt des Erstkontakts mit den Menschen herrschte auf Vulkan eine streng reglementierte Mangelwirtschaft. Der tausendjährige Frieden hatte die Vulkanier dazu verführt, mehr Kinder in die Welt zu setzen, als der karge Planet ernähren konnte. Die Ethik Suraks verbot, sich den Reichtum anderer Welten einfach anzueignen, also versuchte man es mit friedlichem Handel, der allerdings nicht soviel einbrachte, dass die große Masse zu nennenswertem Wohlstand gelangen konnte. Erst viel später beendeten die Erfindung des Replikators und die effektivere Nutzung der reichlich vorhandenen Sonnenenergie diese Schwierigkeiten.
Das Volk murrte und begann, sich enttäuscht wieder Ideen aus der Zeit vor Surak zuzuwenden. Es konnte doch nicht sein, dass die höchstentwickelte Spezies im Quadranten dermaßen kläglich vor sich hin vegetierte! Gäste von anderen Welten erzählten von weiten, grünen Feldern, blauen Meeren voller Algen und Fische, Wetterkontrolle und allgemeinem Wohlstand. Hinzu kam, dass Agenten des Orion-Syndikats damals heimlich Drogen und unanständige Datenpads einzuschleusen begannen – natürlich zu astronomischen Preisen, was geschäftstüchtige Leute veranlasste, große Mengen billiger Kopien und Fälschungen herzustellen.
Unter der glatten Oberfläche fing es immer heftiger zu brodeln an. Teile der weniger gebildeten Schichten begannen, von einer Art weltlichem Erlöser zu träumen. Nachkommen der alten Adelshäuser witterten die Chance, einen Teil ihrer früheren Macht zurückzuerobern. So ein unterentwickelter Planet wie die Erde kam den verkappten Lematyas gerade recht. Wenn es gelang, die Handelsbedingungen geschickt zu Gunsten Vulkans zu manipulieren, würde das einfache Volk den ehemaligen Machthabern bestimmt wieder aus der Hand fressen …
Das Haus Sadam
Das Haus Sadam ist kein gewöhnlicher Clan ehemaliger Adeliger. Es besaß vor Surak ein riesiges Territorium, Paläste, eigene Forschungsinstitute, eine schwer bewaffnete Privatarmee, unzählige Vasallen, Anhänger und Sklaven. Es stand außerhalb der damaligen dürftigen Moral, jeder Moral im Universum – man tat, wozu man gerade Lust hatte, egal, wer dadurch verletzt oder getötet wurde. Wahrscheinlich lag es mit den meisten anderen mächtigen Familien im Streit.
Als die Gegner Suraks Vulkan verließen, wollte man das Haus Sadam und einige andere besonders aggressive, machthungrige und grausame Clans nicht mitnehmen. Auch die Auswanderer träumten von einem angenehmeren Leben – allerdings dachten sie eher an ein wehrhaftes, einheitliches Imperium. Wild gewordene Lematyas waren daher auch auf Romulus nicht besonders gern gesehen. Deshalb blieben viele der schlimmsten Ausbeuter und Soziopathen auf Vulkan. Sie tarnten sich listig als Anhänger der neuen Ordnung, grinsten insgeheim über die Einfalt der neuen Machthaber und warteten auf ihre Gelegenheit.
Es dauerte ein paar Jahrhunderte, bis es den Nachkommen der ehemaligen Elite gelungen war, sich vorsichtig wieder einen Teil ihrer ehemaligen Macht zurück zu erobern. Zum Zeitpunkt des Erstkontakts mit der Erde waren viele Regierungsämter, der diplomatische Dienst und die öffentliche Meinung fest in der Hand des alten Adels. Außenweltler verstehen wahrscheinlich nicht, wie das passieren konnte, meinen, dass nur den besten und begabtesten Vulkaniern die Führungspositionen zustehen müssten …
Dazu muss man erst einmal definieren, wer der Beste ist. Vor Surak gab es auf Vulkan einen makabren Wirtschaftszweig, der sich mit Erwerb, Weiterentwicklung und Verkauf genetischer Ressourcen beschäftigte. Wer damals reich war, konnte das Potenzial seines Clans innerhalb weniger Generationen erheblich aufstocken – und das Haus Sadam verleibte sich alles ein, was begehrt und teuer war: überdurchschnittliche Intelligenz, perfektes Gedächtnis, unglaubliche mentale Kraft, nützliche Vorahnungen, die Macht über Schmerz und Tod. Sie fingen sogar ganz gezielt einen Wahrträumer des Hauses Tureg und beuteten ihn bis zu seinem Tod in einem ihrer privaten Labors aus.
Diverse Vasallen des Hauses Sadam fanden damals eine Möglichkeit, einzelne Eigenschaften zu separieren. Damit gab es endlich einen Weg, nicht nur nützliche Soldaten und Diener zu züchten, sondern auch dem Clan selbst interessantes Erbgut heimlich einzuverleiben, ohne die Familienähnlichkeit zu beeinträchtigen. Ich sage es ungern, aber die Nachkommen des alten Adels sind tatsächlich ungewöhnlich intelligente, tatkräftige und mental äußerst begabte Leute.
Wenn es um die rein fachliche Eignung ging, waren die Nachkommen der reichen Sklavenhalter und Kinderdiebe zweifellos den Normalvulkaniern haushoch überlegen – und bei “objektiver” Auswahl bekamen sie fast immer, was sie wollten. Natürlich wird der Wert einer Person auch über seine Ethik bestimmt, aber um die zu prüfen, hätte man einen sehr guten Gedankentechniker gebraucht. Es gab und gibt keine Handhabe, unbescholtene Vulkanier derart unangenehmen und demütigenden Untersuchungen auszusetzen … das würde wohl niemand akzeptieren.
Jedenfalls träumte das Haus Sadam kurz vor Gründung der Föderation von einer Restauration seiner Macht. Es hatte seine Finger in allen wichtigen wirtschaftlichen, politischen und diplomatischen Aktivitäten. Botschafter Soval war nur einer von vielen, die sich der heimlichen Ausbeutung anderer Spezies widmeten. Es gelang ihm jedoch nicht, die Menschen dauerhaft von der Erforschung des Weltraums abzuhalten – dazu waren sie einfach zu neugierig. Ironischerweise war es jedoch nicht sein Versagen, sondern der private Rachefeldzug einer Frau, was Vulkan zurück auf den Pfad der Tugend führte.
Die junge T’Lursa
T’Lursa aus dem Hause Sadam war jung, schön … und sehr verliebt in einen dunkelhäutigen Diener ihrer Familie. Natürlich empfanden die Ältesten des Clans diese Verbindung als völlig irrelevant und bestanden darauf, dass die junge Frau stattdessen die von ihren Eltern arrangierte Heirat vollzog. Als sie sich weigerte, war das Schicksal des jungen Mannes besiegelt. T’Lursas eigener Bruder forderte ihn aus fadenscheinigen Gründen zum Zweikampf auf und tötete ihn. Nach den Gesetzen Vulkans gilt der Tod bei einem Duell nur als Unfall. Der Mörder kam ungestraft davon und T’Lursa musste einige Jahre in einem Haus für unvollkommene Kinder verbringen.
Niemand weiß, was ihr dort passiert ist. Aber sie gestand viele Jahrzehnte später einer jungen Verwandten, dass sie damals dem gesamten Haus Sadam – ihrem eigenen Clan – Ashv’cezh, Rache schlimmer als der Tod, geschworen hatte. T’Lursa war eine würdige Tochter ihres Hauses: hochintelligent, geduldig, eiskalt, extrem hinterhältig und völlig skrupellos. Wie eine giftige Schlange im Sand belauerte sie ihre Angehörigen, hetzte Ehepaare aufeinander, vereitelte Karrieren, verleitete Diener dazu, Säuglinge fallen zu lassen oder ihnen verdorbene Milch zu verabreichen. Sie fälschte und manipulierte Beweise, verriet Geheimnisse ihrer Familie an die Ermittlungsbehörden oder an die Öffentlichkeit, erfand Aufsehen erregende Verbrechen, die noch nicht einmal geplant waren …
Ihr eigener Vater und ihr Onkel Soval waren die ersten, die im Untersuchungsgefängnis landeten. Sie zogen den Abgrund ohne Wiederkehr einer Gerichtsverhandlung, die unweigerlich einige dunkle Machenschaften des Hauses Sadam ans Licht gebracht hätte, vor.
Aber auch T’Lursas Bruder und viele andere angesehene Mitglieder des Clans entgingen ihrem Schicksal nicht.
Binnen weniger Jahre sank das Haus Sadam zur Bedeutungslosigkeit herab. T’Lursa machte indessen Karriere, bekleidete hohe Regierungsämter und wurde sogar in den Ältestenrat gewählt. Sie hätte jetzt Ruhe geben können, aber dazu war ihr Rachedurst viel zu monströs.
Das Haus Sadam sollte vollständig untergehen. Mit weniger wollte sie sich nicht zufrieden geben. Sie begann, heimlich und in großem Stil, den begabteren Kindern nachzustellen. Immer öfter dezimierten scheußliche Unfälle, Vergiftungen, unbekannte Krankheiten und Überlebensprüfungen, die tödlich endeten, den Clan. Alles wurde so raffiniert verschleiert, dass niemand auf den Gedanken kam, T’Lursa mit dem Niedergang des Hauses Sadam in Verbindung zu bringen.
Am Ende wurde sie sogar die letzte älteste Mutter ihres Clans – und starb freiwillig einen grausamen Tod in der Gluthitze der südlichen Wüste. Ihr Katra verwehte einsam im heißen Wind. Damit gingen auch die Katras all ihrer Vorgängerinnen verloren. T’Lursa hatte ihr Ziel erreicht: Das Haus Sadam hatte keine älteste Mutter mehr und wurde nach den Gesetzen Vulkans aufgelöst.
Sie fragen sich sicher, warum ich Ihnen die traurige Geschichte dieser finsteren Rachedämonin erzählt habe? Sie hat damals alles verändert … sehen Sie selbst!
Plötzlich war der Sumpf sichtbar
Durch T’Lursas Manipulationen kamen Geheimnisse ans Licht, die das Haus Sadam seit fast tausend Jahren sorgfältig bewahrt hatte. Alles, was bisher verdrängt wurde oder zu vagen Informationen verblasst war, krümmte sich plötzlich nackt im grellen Licht der Öffentlichkeit. Im Datennetz wurde die Vergangenheit des Clans und seiner Vasallen öffentlich diskutiert. Man sprach über Mord, Folter, Ausbeutung, Unmoral und Machthunger in der alten Zeit – und über Verrat und Intrigen in der Gegenwart.
Auf einmal war die makellose Elite überhaupt nicht mehr ehrenwert. Bei der nächsten Wahl erhielten die Nachkommen des alten Adels ihre Quittung. Man wählte lieber weniger geniale Angehörige einfacher, aber unbescholtener Familien und die setzten in der Politik ganz andere Prioritäten.
Suraks UMUK-Prinzip rückte vorübergehend in den Mittelpunkt des Interesses. Man begegnete Menschen und anderen Außenweltlern mit Interesse und Respekt, setzte sich mit ihnen an einen Tisch und kämpfte geduldig um Kompromisse, die für alle nützlich waren.
Es ist im Nachhinein schwer zu sagen, welche Spezies zuerst auf den Gedanken kam, eine Föderation der Vereinten Planeten zu gründen. Fest steht jedoch, dass die edelsten und besten Denkansätze aller Gründungsmitglieder berücksichtigt wurden. Sicher ist auch, dass die Qualen und Niederlagen der beteiligten Welten gründlich studiert wurden: die blutigen Kriege Andors, die perversen Verbrechen des alten Vulkans, der mörderische Faschismus auf der Erde, die panischen Fremdenfeindlichkeit Tellars und die selbst verschuldeten Umweltprobleme auf Alpha Centauri.
Es war wohl dieser Augenblick schonungsloser Ehrlichkeit, der die Gründung der Föderation überhaupt möglich machte … und der die Inspiration zu einem der besten und gerechtesten Grundgesetze im bekannten Universum lieferte.
Wäre es auch ohne Vulkan gegangen?
Ich bin nicht größenwahnsinnig. Möglicherweise hätten sich die anderen Welten auch ohne die Vulkanier zu einer funktionsfähigen Gemeinschaft zusammengeschlossen. Allerdings habe ich meine Zweifel, ob ein entfesseltes, imperialistisches Vulkan eine solche Entwicklung überhaupt zugelassen hätte. Wenn die machthungrige, grausame und gierige Bestie in uns wieder zu ihren alten Gewohnheiten zurückgekehr wäre, hätte es in weitem Umkreis keinerlei Chance auf ein würdiges Leben mehr gegeben. Weder für die Urbevölkerungen anderer Planeten, noch für die einfachen Vulkanier oder gar mein eigenes Volk, die Turuska.
Mit dem technischen Entwicklungsstand von heute und der Skrupellosigkeit der Vergangenheit wären die Rudel reißender Lematyas über die schwächer entwickelten Welten hergefallen. Man hätte die unglücklichen Außenweltler unbarmherzig überfallen, versklavt, ausgeweidet und zum eigenen Vergnügen getötet. Mein Volk war lange genug Opfer solcher Bestialitäten. Wir wünschen niemandem in diesem Quadranten, dass er so entsetzlich leiden muss, wie die Turuska in der Zeit vor Surak.
T’Lursa erwies sich als ausgesprochen nützliches Ungeheuer, als sie ihren eigenen verbrecherischen Clan zerstörte. Es war ihr sicher sehr zuwider, Gutes zu tun, aber ihr ist wahrscheinlich nie bewusst geworden, welche Folgen ihr Rachefeldzug auf die Gesellschaft Vulkans hatte.
Vulkan ist zum Glück für alle Beteiligten friedlich und freundlich geblieben. Deshalb sollten wir in aller Demut die Wege des Schicksals bewundern.
Der Alphaquadrant hat keinen gefährlichen neuen Aggressor erhalten, der hinterhältiger als die Romulaner und grausamer und gewalttätiger als die Klingonen gewesen wäre.
Feiern wir uns also selbst!
Der Tag, an dem die interstellare Konferenz von Babel stattfand und sich die Bewohner von Andor, Alpha Centauri, Erde, Tellar und Vulkan entschlossen, ihre materiellen und intellektuellen Ressourcen zu vereinigen, gehört für mich zu den bewegendsten Momenten intelligenten Lebens in diesem Quadranten.
Wenn man bedenkt, wie groß vor hundertfünfzig Jahren die Unterschiede zwischen unseren Kulturen waren, welche Missverständnisse es gab – sogar heftige Feindseligkeiten – dann kann man nur mit Demut, Verwunderung und Freude auf diese gewaltige Leistung reagieren.
Jede Spezies musste schmerzhafte Kompromisse eingehen, eigene Interessen und Empfindlichkeiten rigoros beiseite schieben, sonst hätte dieses zunächst sehr fragile Gebilde nicht überlebt. Und es hätte vor allem niemals solch eine überwältigende Anziehungskraft entwickelt.
Inzwischen haben sich fast tausend weitere Welten vertrauensvoll angeschlossen, wohl wissend, dass man sie in der Not unterstützen und ihre Eigenheiten respektieren wird. In hundertfünfzig Jahren gab es keinen einzigen Versuch, die geballte Macht der Föderation für unethische Zwecke zu missbrauchen. Die Entropie im Alphaquadranten konnte erheblich verringert werden.
Ehren wir das Cthia! Bedanken wir uns bei unseren Vorfahren, der unerbittlichen Entropie und T’Lursa aus dem Hause Sadam für diese einmalige Chance zu einem würdigen und ungestörten Dasein! Das Leben ist für alle bunter, schöner, gerechter und reicher geworden.
Genießen wir gemeinsam diesen makellosen Augenblick des Friedens!
Erheben wir unsere Gläser mit Wein, Mombasaft oder festlichen Getränken anderer Welten und beglückwünschen wir uns gegenseitig! Es ist vollbracht: Endlich gibt es eine gerechte Ordnung, die länger als ein paar Augenblicke überlebt hat!
In diesem Sinne wünsche ich allen Bürgern der Föderation Frieden und ein langes Leben!
(Auszug aus: Anneliese Wipperling, “Flügel aus Glas”, eine Anthologie moderner vulkanischer Autoren)
© Copyright by Anneliese Wipperling, 2002
Leave a reply