Unendlich heterosexuelle Weiten – Homosexualität in Star Trek

Manchmal sieht man bei “Star Trek” den Versuch, zur Emanzipation Homosexueller in der Gesellschaft beizutragen – eben mit den beschränkten Mitteln, die man hat, wenn man in einer homophoben Gesellschaft finanziell überleben will …

ein Artikel von Ruwen Krieger

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, einem zweistündigen Videovortrag an der Universität Trier zu genau diesem Thema beizuwohnen. Für einen schwulen Star-Trek-Fan ist es natürlich sehr interessant, diese zwei überaus wichtigen Lebensbereiche miteinander verbunden zu sehen ;-).
Als wir an der Uni ankamen, war der Hörsaal schon gut gefüllt.
Obwohl ich von mir behaupte, die meisten Star-Trek-Folgen und Filme gesehen zu haben, waren die meisten Szenen, die uns vorgestellt wurden, mir bisher nicht oder nur am Rande bzw. nicht in ihrer vollen Tragweite aufgefallen.

Die Analyse ergab allerdings weniger erfreuliche Details:
In den 60er Jahren, also zu Beginn der Star-Trek-Saga, war Amerika noch sehr homophob, das bedeutet man musste aufpassen, welche Botschaften man mit seinem Produkt vermittelt, um nicht auf diverse Abschusslisten zu geraten oder gar die gerade erst mühsam gewonnen Fans zu vergraulen.
Aus diesem Grund waren schwule Star-Trek-Charaktere in TOS meist entsexualisierte “Sissis” – also Nebenfiguren, die in der Regel nur einmal – sehr selten auch mehrmals innerhalb einer Season – auftauchten und von denen man sich bloß nicht vorstellen sollte, sie hätten eventuell ein Sexualleben! Meistens äußert sich dieser Versuch der Karikatur in der Tatsache, dass die Figuren fett und hässlich oder außerirdisch waren – also zur reinen Belustigung gedacht und nicht dazu geeignet, tiefergehende Informationen zu vermitteln.
So zum Beispiel der Tribble-Verkäufer, der eindeutig schwule, ja sogar tuckige Anteile hat, aber leider fett und gemütlich ist, oder der grünhäutige Begleiter einer gewissen Königin, die verheiratet werden sollte, der eine unüberhörbar näselnde Stimme besaß.
Der einzige emanzipatorische Ansatz sind die Grenzen zwischen ,Buddys’, also Männerfreundschaften zwischen wohlbekannten Mannschaftsmitgliedern, und Beziehungen, was meistens satirisch daherkommt, jedoch – wie wir alle wissen – die Fantasie vieler Fans derart beflügelte, dass sie massenhaft ,K/S’ – Stories schrieben und zu veröffentlichen suchten.

Bei TNG sind wir schon etwas weiter, obgleich es auch hier die oben erwähnten “Sissis” gibt – zum Beispiel der blauhäutige Friseur auf der Enterprise Picard’s, der in der deutschen Synchronfassung lustigerweise mit jedem seiner drei Auftritte eine hellere und tuckigere Stimme verpasst kriegte.
Hier wird das Thema Homosexualität wenigstens durch die Blume angesprochen – es ist schon Wahnsinn, welche dramaturgischen Kunststücke die Autoren und Produzenten vollführt haben, um eine Message rüberzubringen, ohne in Gefahr zu geraten .
Star Trek sollte wohl auch die damalige amerikanische Gesellschaft widerspiegeln – wahrscheinlich sind deshalb alle homosexuellen Liebes- und andere Geschichten zum Scheitern verurteilt – mal wird es einfach kommentarlos gezeigt, manchmal mit einer Spur Bedauern – wie bei Beverly Crusher, die sich in einen Trill verliebt, der in einen weiblichen Körper transferiert werden muss. Ihre pathetischen Schlussworte (“Vielleicht sind wir irgendwann so weit, dass unsere Liebe nicht so beschränkt ist”) verursachen bei mir immer noch eine Gänsehaut. Vielleicht geht’s euch ähnlich?
Manchmal haben solche Stories jedoch einen sehr faden Beigeschmack – wie zum Beispiel die Geschichte eines Staates, der seine Bürger dazu zwingt, ungeschlechtlich zu leben. Diejenigen, die sich trotzdem für ein Geschlecht entscheiden, werden einer Gehirnoperation unterzieht. Wir sehen “überhaupt keine” Parallelen zu der Situation bestimmter damaliger Minderheiten, wenn die Hauptfigur vor Gericht äußerst beeindruckend für ihr Recht auf eine andere und doch gleiche Liebe eintritt ;-). Bedauerlich nur, dass am Ende auch sie operiert wird und ihrem Geliebten Riker erzählt, wie glücklich sie doch darüber sei, wieder ,normal’ zu sein …
Außer einigen harmlosen Verwechslungsgeschichten kommt in TNG allerdings darüber hinaus auch ziemlich wenig vor, was mit unserem Thema Homosexualität zu tun haben könnte.

DS9 ist da schon wieder fortschrittlicher, indem lesbische Liebesgeschichten – zum Beispiel zwischen Kira und Dax oder Kira und Kira (Paralleluniversum) – vorkommen. Obwohl diese Geschichten meist einen faden Beigeschmack hinterlassen, wie die Tatsache, dass Kiras Doppelgängerin das Böse personifiziert oder dass die Liebesgeschichte zwischen Dax und Kira (natürlich) langfristig nicht funktioniert.

Bedauerlich, dass es in Voyager und Enterprise bisher eher einen Schritt zurückgeht – obwohl Gene Roddenberry sich bekanntermaßen zu seinen Lebzeiten für die Etablierung eines schwulen Charakters in Star Trek eingesetzt hat.
Trotzdem sieht man an einigen Geschichten den Versuch, zur Emanzipation Homosexueller in der Gesellschaft beizutragen – eben mit den beschränkten Mitteln, die man hat, wenn man in einer bedauerlicherweise immer noch sehr homophoben Gesellschaft ankommen und damit finanziell überleben will.

Weitere Infos und einen Artikel von unserem Referenten Erwin In het Panhuis findet ihr in der Zeitschrift ,Invertito’ (Nr. 1/1999), einem wissenschaftlichen Magazin zur Homo-Geschichte. Den Referenten mit seinem Vortrag kann man übrigens ,mieten’ – ich kann ihn nur weiterempfehlen!
Bei Fragen wendet euch bitte an folgende emailadresse:

erwininhetpanhuis@gmx.de

© Ruwen Krieger, 2003

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