DAMALS (1939-1945): Der ganz normale Bombenalarm
Ich glaube, jeder kann sich unter dem Begriff Blockwart etwas vorstellen. Das war ein systemtreuer Nachbar (oft ein Mitglied der NSDAP), der mit Begeisterung seine Augen und Ohren dem Regime lieh. Ein Provokateur, ein falscher Fuffziger … eine Petze vom Dienst. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke die meisten kannten ihren und nahmen sich entsprechend in acht.
Neben den Blockwarten gab es ganz offiziell auch noch Luftschutzwarte. Die kümmerten sich darum, dass die Luftschutzkeller in ordentlichem Zustand waren, dass Feuerlöscher, Wasser und Schaufeln zum frei graben nach der Zerstörung des Hauses vorhanden und in gutem Zustand waren.
Jedes Haus (bzw. bei Mehrfamilienhäusern jeder Eingang) musste einen geeigneten Kellerraum für den Luftschutz freimachen. Auch öffentliche Einrichtungen, Kinos und Theater hatten so etwas. Weit sicherer als die Keller waren Luftschutzbunker aus Beton. Unweit unseres Wohnblocks stand auch einer und ich habe als Kind vom Fenster aus zugesehen, wie er gesprengt wurde.
Mit Beginn der Bombenangriffe durch die Alliierten wurde die Verdunkelungspflicht eingeführt. Undurchsichtige Rollos oder schwere Gardinen sollten nach Einbruch der Nacht dafür sorgen, dass kein Lichtstrahl nach außen drang. Man hoffte, dass die feindlichen Bomber so unsere Stadt nicht finden wurden. Jeden Abend ging der Luftschutzwart durch die dunklen Straßen und spähte nach den kleinsten Lichtstrahlen.
Wenn er etwas sah, schrie er laut: „Licht aus!“
Wenn der nachlässige Bewohner nicht schnell genug reagierte, klingelte der Luftschutzwart und forderte persönlich die Einhaltung der Vorschriften. Genutzt hat das wenig. Wenn der Bombenalarm heulte wurde es ernst.
Natürlich fanden die Bombergeschwader die verdunkelten Städte. Sie warfen Lichtertrauben an Fallschirmen ( sogenannte Christbäume) ab und markierten damit das Zielgebiet. Wer sich innerhalb des Planquadrats befand konnte nur noch in die Schutzraume flüchten und beten … oder dem Schicksal mit stolz erhobenem Kopf die Stirn bieten und den Luftkampf beobachten.
Deutsche Jäger versuchten, die Bomber abzudrängen, lieferten sich mit alliierten Jägern erbitterte Gefechte. Manchmal mussten die Bomber ihre Last abwerfen, bevor sie das Zielgebiet erreichten. Dann fielen die Bomben irgendwohin. In Brand geschossene Flugzeuge krachten in Dächer oder in die feuchten Wiesen am Ufer der Havel.
Kinder sammelten am nächsten Morgen die Überbleibsel der Kämpfe auf um mit ihnen zu spielen. Erwachsene Männer stellten besonders attraktive Splitter in ihre Vitrinen. Natürlich gab es auch Blindgänger … aber damit spielte niemand.
Die Menschen in den Kellern verhielten sich je nach Temperament unterschiedlich. Manche saßen die ganze Zeit wie erstarrt da oder weinten … andere rannten in Panik hin und her oder schrien. Manche beteten laut oder rissen Witze.
Meine Mutter hat mir erzählt, wie sehr diese Dauerläufer und die Gottesfürchtigen genervt haben. Sie hat das nicht weiter gewertet, nur die Tatsachen aneinander gereiht. Ich möchte das auch nicht weiter ausschmücken. Jeder kann das Bild mit seiner eigenen Fantasie zu Ende malen.
Da saßen die Brandenburger also in ihren umfunktionierten Kohlenkellern und warteten auf den großen Rums. Es gab ja in dieser Stadt, neben der Zivilbevölkerung noch einige Industrie zum platt machen: ein Stahlwerk, ein Traktorenwerk wo auch Munition hergestellt wurde, das Arado-Flugzeugwerk …
In den Kellern war es kalt und es gab keine Sanitäranlagen. Da man nie wusste, wann der Angriff vorbei sein würde, nahmen die Hausbewohner Essen, einen Petroleumkocher und ein wenig Geschirr mit. Sie rüsteten sich so gut es ging für den Katastrophenfall.
Schwierig wurde es, wenn jemand sich entleeren musste.
Die meisten rannten dann schnell in ihre Wohnung um auf die Toilette zu gehen. Andere …
Mama hat mir erzählt, dass einmal ein alter ein wenig seniler Mann heimlich in den einzigen Kochtopf gepinkelt hat. Das haben ihm die Nachbarn sehr übelgenommen und der Topf landete im Müll. Es wäre gescheiter gewesen, ihn für den nächsten Notfall aufzuheben.
Dieser Bombenterror sollte angeblich die deutsche Bevölkerung demoralisieren und mithelfen, den Krieg schneller zu beenden. Man muss schon sehr krank im Kopf sein, um zu glauben, dass so etwas funktioniert.
© Amanda Landmann
In Essays Tags: Erinnerungen, Zeitgeschichte Keine Kommentare.