DAMALS (und heute): „Vertraue der Wissenschaft!“
„Vertraue der Wissenschaft!“
Das ist eine beliebte Forderung mit der sich prächtig allzu freche und kritische Mäuler stopfen lassen: „Du bist ungebildet und dumm. Die Wissenschaft weiß es besser. Viel besser! Vertrau nicht deinen eigenen Augen und Ohren! Noch nicht einmal deiner Nase! Höre auf die unbestechliche, objektive und grandiose Wissenschaft! Dann kannst du gar nichts falsch machen.“
Tja, dazu müsste man erstmal definieren, was Wissenschaft überhaupt ist.
Die Ansichten variierten über die Jahrhunderte und ihre Protagonisten waren jedes mal ganz sicher, dass es sich bei ihrer eigenen Arbeit um lupenreine Wissenschaft handeln würde.
Als ich zu studieren anfing, war man (nach etlichen fürchterlichen Irrtümern des 20. Jahrhunderts) zum Glück zumindest in den Naturwissenschaften etwas vorsichtiger geworden. Ich habe bereits im 1. Semester gelernt, dass es keine absoluten Wahrheiten gibt. Nur mehr oder weniger wahrscheinliche Hypothesen. Und dass es zwei Wege zur Erkenntnis gibt: die reine Logik (den mathematischen Beweis) und das Experiment.
Wir Chemiestudenten waren da sehr selbstbewusst: Was man mit analytischen Methoden nicht erfassen kann, ist nicht da. Basta! Und wir haben die Laberköppe von den „weichen“ Geisteswissenschaften (die HiWis) nicht ernst genommen. Was ist eine Bürgerbefragung oder das Luftschloss eines Philosophen gegen einen sauber ausgeführten analytischen Trennungsgang? Ganz recht: nix!
Trotzdem bin ich, genau wie viele andere Naturwissenschaftler und Techniker auf dieses eigentlich von uns so heftig verachtete Gelaber hereingefallen. Das ist mir immer noch peinlich. Aber darüber irgendwann später mehr.
Dass alle Wissenschaften anfällig für peinliche Irrtümer sind, möchte ich mit einer kleinen (unvollständigen) Aufzählung deutlich machen.
– Früher hielten die Menschen die Erde für eine Scheibe. Es war eine Weltumseglung nötig, um ihre Kugelform zu beweisen.
– Die Menschen waren fest davon überzeugt, dass die Sonne und alle Planeten um die Erde kreisen. Es waren genaue Beobachtungen und Messungen erforderlich, mit deren Hilfe diese Theorie widerleget wurde. Einige Wissenschaftler bezahlten ihren Mut und ihre Unbestechlichkeit mit dem Leben. Es waren nicht nur die Kleriker, die dafür sorgten, dass die Scheiterhaufen brannten, sondern auch nette Kollegen, die verbissen am geozentrischen Weltbild festhielten und alle Indizien, die auf etwas anderes hinwiesen, mit komplizierter Gedankenakrobatik zu widerlegen versuchten.
– Auch die Alchemie galt einmal als exakte Wissenschaft. Allerdings war sie nicht sehr erfolgreich. Es ist niemand gelungen, aus Eisen Gold zu machen und den Stein der Weisen gibt es nur bei Harry Potter. Zum Glück haben die Alchemisten bei ihren langen Tagen und Nächten im Labor zuweilen ganz nebenbei etwas nützliches entdeckt.
– Astronomie und Astrologie gehörten einmal zusammen. Selbst heute noch berühmte Astronomen waren sich nicht zu fein, Horoskope zu stellen.
– Es gab Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit dem Zusammenhang zwischen bestimmten Gesichtsmerkmalen und dem Charakter beschäftigten. Spuren davon finden sich reichlich in der Literatur: Das energische Kinn verrät angeblich Führungsqualitäten, eine fliehende Stirn deutet auf intellektuelle Minderwertigkeit hin, eng beieinander stehende Augen zeugen von Falschheit …
Achtet mal beim Lesen darauf!
– Von diesem Quatsch ist es nicht weit bis zur wissenschaftlichen Rassenlehre. Da gab es bestimmt reichlich Doktorarbeiten über Schädelformen, Haarfarben, Tugenden, Laster und intellektuelle Fähigkeiten. Und selbstverständlich gab es ein Ranking der Rassen mit der nordirischen an der Spitze, slawischen Untermenschen, hinterlistigen Semiten und affenähnlichen Aborigines. Angeblich war es ganz schlecht, Rassen zu vermischen, weil dabei vor allem die üblen Eigenschaften beider zum Tragen kämen. Mischlinge rangierten ganz unten (Rassenschande) in der Hierarchie. Das ganze erinnert sehr an eine Pudelzucht im Hundezwinger zur Eiche und die Bekämpfung angeblich wertloser Straßenköter. Diesen ganzen Müll hat Adolf Hitler nicht erfunden. Er kursierte schon lange vor 1933 und nicht nur in Deutschland. Der Kolonialismus und der Drang nach Osten mussten schließlich irgendwie gerechtfertigt werden. Aber die Nazis haben aus kruden Theorien eine entsetzliche Realität gemacht und das dumme Volk hat mehrheitlich weggeschaut oder gar mitgemacht. Aber abgesehen von dem Unheil, das diese Theorien gebracht haben: Sie waren schlicht und einfach falsch. Es gibt nur eine Art Mensch und vieles, was uns ausmacht, ist eben nicht vererbt sondern erlernt bzw. Teil der Kultur. Da gibt es noch viel zu erforschen … und zahllose neue Möglichkeiten, sich saftig zu irren.
– Ein anderer Irrweg: Im Zuge der ersten industriellen Revolution wuchs die Begeisterung für alles Mechanische. Einige Wissenschaftler hielten Lebewesen (im Extremfall auch Menschen) für eine Art organische Maschinen an denen man nach Gutdünken herumschrauben könne. Da war kein Platz mehr für Individualität oder gar Seele. Auch nicht für Respekt gegenüber der Natur oder der Schöpfung. Aus solchen Ansichten erwuchsen ungerechte und brutale Handlungen gegenüber Tieren und Menschen. Ganz überwunden ist dieser Trend übrigens bis heute nicht. Wenn man nach Davos schaut und auf die Pläne eines gewissen Klaus Schwab … da scheint es auch nur noch um organische Roboter zu gehen, die in 15-Minuten-Städten ein Leben als Ameisen fristen sollen und deren Meinungen und Träume nicht zählen. Wobei auch Ameisen (und überhaupt Insekten) keine Roboter sind. Wir wissen inzwischen, dass Hummeln verspielt sind und alte Bienen in ihrer Lieblingsblume auf den Tod warten weil sie ihre Kameradinnen im Stock nicht belasten wollen. Mechanik ist eben nicht alles. Gar nichts ist alles … und es ist durchaus möglich, dass wir gerade wieder auf fatalen Irrwegen spazieren.
– Kommen wir zu einer weiteren Geißel der Menschheit: dem wissenschaftlichen Sozialismus oder GeWi (Gesellschaftswissenschaften) wie es zu DDR-Zeiten hieß. Das war Pflichtfach bei jedem Studium, auch bei uns Chemikern. Und wehe, man wurde beim Schwänzen erwischt! Einer der Kernpunkte dieser Lehre war, dass die Menschheit sich gesetzmäßig vom Niederen zum Höheren entwickelt. Auf die primitive aber gerechte Urgemeinschaft (edle Wilde!) folgte die Sklaverei als höchste Form der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Also eine Ordnung, in der es für die Ausgebeuteten keine Rechte gab. Durch den heldenhaften Kampf der Unterdrückten (Spartakus, Bauernkrieg, Arbeiterbewegung) entstanden Feudalismus und Kapitalismus. Letzterer muss überwunden werden um zu einer solidarischen Gesellschaft ähnlich der Urgemeinschaft (aber auf höherer Ebene!) zu gelangen. Es ist wie die erste Windung einer Spirale … und bis hierhin könnte an der Theorie etwas dran sein. Könnte, muss aber nicht!
Der wissenschaftliche Sozialismus, die geniale Theorie von Marx und Engels, die Antwort auf alle Menschheitsfragen …
Ich bin damit vom Grundschulalter an gepäppelt worden. Und wahrscheinlich ist diese Dauerberieselung daran schuld, dass ich sie erst jenseits der 40 zu hinterfragen begann.
Obwohl ich den Jungen Pionieren anfangs aus dem Weg ging weil die Junge Gemeinde noch schneller war und mich mit schönen Geschichten in die Christenlehre gelockt hat. Aber auch wenn ich lange an den Pioniernachmittagen nicht teilnahm war die Heilslehre vom kommunistischen Paradies allgegenwärtig.
Die „Klassiker des Marxismus -Leninismus“ (Stalin war da schon in Ungnade gefallen) wurden als geradezu unglaubliche Giganten des Geistes präsentiert. Sie hatten angeblich das einzig wahre Entwicklungsgesetz der Menschheit entdeckt.
Die gesamte Geschichte sollte nur eine Vorgeschichte sein. Danach lockte ein Paradies mit unglaublicher Fülle und Erfüllung: Der wahre, voll entwickelte Kommunismus, in dem jeder nach seinen Fähigkeiten arbeitet und nach seinen Bedürfnissen Waren und Dienstleistungen erhält. Dafür lohnte es sich doch, zu kämpfen!
Damit das funktioniert, braucht es einen neuen Typ Mensch. Einen, der freiwillig und mit Begeisterung bis zum Umfallen arbeitet und deshalb keine Anreize und keinen Wettbewerb mehr braucht.
Versteht ihr es? Leistung muss sich nicht mehr lohnen weil die Menschheit aus purem Idealismus arbeiten wird.
Mit Wissenschaft haben solche Hirngespinste wenig zu tun. Solange sie im Studierstübchen bleiben sind sie harmlos, aber wenn man versucht, diese Träume auf Biegen und Brechen umzusetzen ist das gar nicht mehr lustig.
Was soll denn mit denen geschehen, die nicht zu solchen Wunderwesen mutieren können oder wollen? Die ihr individuelles Glück wichtiger nehmen als die Weltrevolution? Die Wert auf persönlichen Besitz und die damit verbundenen Freiheiten legen? Die am kommunistischen Paradies zweifeln?
Denkt an Stalin, Mao und Pol Pot! Was nicht passte, haben sie vernichtet.
Und es ist noch lange nicht vorbei. Kulturmarxisten basteln schon wieder an neuen zynischen Projekten.
Wenn übrigens das 3. Gesetz der Dialektik (die Negation der Negation) stimmt, fängt der Kreislauf der Unfreiheit und des Schreckens irgendwann wieder vorn an …
Mit einer neuen Sklaverei?
Ein gewisser Klaus Schwab hat da schon einige brillante Ideen aufgeschrieben. Leider hat er mehr Einfluss auf die Politik als es gut für die Menschheit ist.
Wir können wirklich nur hoffen, dass seine beängstigenden Schnapsideen nicht halb so wissenschaftlich sind, wie sie daherkommen.
Und dass sich rechtzeitig Widerstand gegen solche Pläne formiert. Sonst könnten einige besonders fiese Dystopien wahr werden.
© Amanda Landmann
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