von Peggy Weber (Herausgeber)
Mit Kurzgeschichten von
Sven Svenson / Gerd Frey / Peggy Weber-Gehrke / F. Anderson / Jacqueline Montemurri / Matthias Falke / Cliff Allister / Regine Bott / Galax Acheronian / Oliver Koch / B.C. Bolt / Michael Stappert / Adriana Wipperling / Frank Lauenroth / Lara Möller / Michael Thiele / Christopher Dröge / Rico Gehrke
Bewährungsproben auf fernen Planeten, Außerirdische in geheimnisvollen Missionen auf der Erde, unsichtbare künstliche Intelligenzen, seltsame Visionen, gefährliche Parallelwelten, Reisen durch die Zeit und vieles mehr – das sind die Themen dieser spannenden Anthologie. Sie enthält 22 neue Erzählungen von 18 bekannten und renommierten Autoren. Tief in den Raum, zurück in die Vergangenheit oder weit in die Zukunft entführen die Erzähler ihre Leser. Die Anthologie versteht sich als ein breit gefächertes Beispiel von Science Fiction-Stories, die im Jahr 2015 in Deutschland geschrieben wurden.
Die Kindle-Edition ist für nur 3,99 € bei Amazon zu haben.
Das gedruckte Bucht ist mit 17,90 leider „etwas“ teurer.
Und noch einene kleine Leseprobe aus Adrianas Geschichte „Hinter dem Schleier“:
In meiner alten Wohnung aufzuwachen ist, als wäre ich aus der Zeit gefallen.
Spärliches Sonnenlicht dringt durch die Ritzen der Jalousie, zeichnet ein hellgraues Streifenmuster auf meine Bettdecke.
Ich drehe mich um und sehe, wie Molly neben mir liegt und schnurrt. Als ich mich bewege, macht sie einen Katzenbuckel, schaut mich fordernd an und stolziert dann mit einem entschlossenen „Mrrrau“ Richtung Küche.
„Ja ja, Molly, du Fresssack!“ Ich tapse hinter ihr her, schütte den Inhalt eines Katzenfutter-Beutelchens in den Napf, dusche, putze meine Zähne, bürste meine Haare und blicke in ein Spiegelbild mit großen, besorgten Augen.
So wie jeden Morgen seit dem Anfang vom Ende der Welt.
Heute ist Tag drei. Seit gestern funktioniert das Internet nicht mehr, mein Handy ist tot, aus dem Radio kommt nur noch diffuses Rauschen und im Fernsehen rieselt leise der Schnee, obwohl draußen der Flieder blüht. Die verdammten Invasoren haben den Funk gestört, vermute ich.
Mein letzter Draht zur Außenwelt ist ein altmodisches, schnurgebundenes, abhörsicheres Festnetztelefon. So ein Ding ist in der heutigen Zeit schwer zu bekommen und der einzige Grund, warum ich mir die Mühe gemacht habe, sind die Wächter der Erde, die seit etwa fünf Jahren versuchen, mein Telefon anzuzapfen.
Jetzt bin ich dankbar dafür. Aber das Telefon bleibt stumm.
Meine Kontaktleute von der Regierung haben mir versprochen, sofort anzurufen, wenn sie Nachricht von Mama und Annabelle bekommen. Meine Mutter hat die Kleine nach Heyla mitgenommen, seit der Geheimdienst erfahren hat, dass eine Flotte der Imperier Richtung Erde vorrückt. Ich habe meine Mutter selbst gebeten, auf mein Kind aufzupassen, aber nun bereue ich es.
Wenn ich wenigstens ein Lebenszeichen bekommen würde!
Ioannis, mein toter Geliebter, strahlt mich von einem Foto auf der Kommode an und mir schießen die Tränen in die Augen. Gott, wie ich ihn vermisse! Ein halbes Jahr ist es nun her, seit er im Kampf gegen die Imperier gefallen ist, aber ich fürchte, ich werde nie über seinen Tod hinweg kommen.
Nun sehe ich die winzigen Schuhe von Annabelle, unserer gemeinsamen Tochter, im Flur stehen und es ist vorbei mit meiner Haltung. Im Türrahmen breche ich zusammen und heule. Ich fühle mich nutzlos, kaltgestellt, in einen unwirklichen zeitlosen Nexus versetzt, wo ich nicht einmal Mutter sein darf.
Drei Tage sind vergangen, seit die LIGA und alle lokalen Regierungen auf der Erde den Ausnahmezustand ausgerufen haben. Drei Tage, seit es offiziell keine Regierung mehr gibt, stattdessen eine von der LIGA gelenkte Notadministration herrscht, verschanzt in einer High-Tech-Bunkeranlage unter den Wüsten Australiens, die jedem James-Bond-Film Ehre gemacht hätte.
Die Zeitung, für die ich arbeite, wird unter diesen Umständen nicht mehr gebraucht. Freie Medien werden ersetzt durch Bekanntmachungen aus dem Pressebüro der Notstandsregierung.
Also bin ich in meine alte Wohnung zurückgezogen, weil mich hier niemand vermuten würde. An der Tür klebt zur Tarnung das Namensschild von Ioannis, obwohl ich weiterhin die Miete zahle, Meine Nachbarn sehen mich kaum, weil ich so oft unterwegs bin, bzw. war. Die Chefredakteurin eines großen intergalaktischen Magazins lebt, so vermutet man sicher, in einer Villa am Gardasee – nicht in einer Drei-Zimmer-Wohnung am Stadtrand von Potsdam. Aber es ist mein Zuhause, mein Reich, ein Stück normales Leben, an das ich mich klammern kann, bevor alles in Flammen aufgeht.
Ich ziehe die Jalousien hoch, öffne die Terrassentür und lasse die Frühlingssonne mein Gesicht wärmen, während Molly schnurrend um meine Beine streicht. Mit einem kleinen Lächeln vergrabe ich die Finger in ihrem langen, seidigen Fell und beobachtete, wie Natalie, die Nachbarstochter auf dem Hof mit ihrem Hund Benji spielt. Der Hund fängt das Frisbee, das sie wirft, im Flug, apportiert es brav und lässt sich zur Belohnung von Kopf bis Fuß durchknuddeln. Sein Gebell und das unschuldige Lachen des Mädchens bilden eine Seifenblase der Fröhlichkeit inmitten der gespenstischen Ruhe vor dem Sturm.
Natalie entdeckt mich, winkt mir zu und ruft irgendwas in meine Richtung. Sie will, dass ich mitspiele. Ich nicke, ohne lange zu überlegen, und gebe ein Zeichen, dass ich gleich komme. Ja, bitte nehmt mich mit in eure Seifenblase! Ich will raus aus diesem Nexus der Hölle – wenigstens für ein oder zwei Stunden! Seit der Verkündung des Ausnahmezustands bin ich nur einmal rausgekommen, um einzukaufen. Beim ALDI um die Ecke benehmen sich die Leute, als ob morgen ein Asteroid auf die Erde knallt und wir die nächsten zehn Jahre in Atombunkern vegetieren müssten. Als ich den Supermarkt betreten habe, gab es noch Fischkonserven – fünf Minuten später war das Regal komplett leer geräumt.
Natalie winkt mir nochmal zu.
Dann klingelt es.
Ich bleibe einen Moment wie erstarrt stehen. War das wirklich mein Telefon?
Es klingelt ein zweites Mal. Mein Telefon – tatsächlich!
Oh mein Gott, wenn das nun … Ich renne fast.
Meine Hand will den Hörer fassen und greift ins Leere, weil meine Füße plötzlich den Halt verlieren. Ich spüre etwas Nasses, Glitschiges unter meinen Socken, rutsche – und falle.
Oh Scheiße, nein!
Der Drehstuhl rollt mir unter der Hand weg, sein Lehne schlägt krachend auf dem Boden auf. Auch die Zimmerpalme kann meinen Flug nicht aufhalten. Der Übertopf zerschellt am Schreibtischbein, die Blumenerde verteilt sich quer über den Teppich.
Der Moment, als mein Gesicht auf die Schreibtischkante kracht, tut nicht sonderlich weh. Zuerst kommt die Panik. Meine Beine fühlen sich an, wie Wackelpudding, auch meine Hände zittern unkontrolliert, als ich mich im Vierfüßlerstand zum Sofa schleppe, wo sich Molly mit riesengroßen Augen und peitschendem Schwanz zwischen die Kissen quetscht.
Sie versteht genauso wenig, wie ich, was da gerade passiert ist.
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