Endstation Tierheim?
Ein Raumschiffcaptain sucht seine verschollenen Schiffskameraden
Das Tierheim Lankwitz ist genauso ein Knast wie alle anderen Institutionen dieser Art. Aber ich sehe, dass die Menschen sich Mühe geben, es für die Insassen ein wenig nett zu gestalten. Die Katzen haben Kletterbäume und Kuschelhöhlen. Überall liegen Fellmäuse und anderes Spielzeug herum.
Drei ungefähr zehnjährige Kinder spielen gerade mit den Hunden.
Ich öffne meinen Geist ganz weit, sende einen freundlichen mentalen Gruß und in den Käfigen wird es abrupt still.
Alle Hunde und Katzen verharren in ihren momentanen Posen, dann kommen sie langsam, ohne noch irgendetwas anderes zu beachten, an die Gitter, pressen sich dagegen, sehen mich aus großen Augen an.
Auch die Kinder kommen näher und mustern mich schweigend.
Ich empfange die Gedanken der Tiere.
„Wer bist du?“
„Was für ein seltsamer Mensch!“
„Er kann uns hören!“
„Hören!“
„Hören!“
„Er weiß alles!“
„Versteht alles!“
„Er ist unser Bruder …“
„Aber er riecht seltsam.“
„Fremd!“
„Anders!“
„Er ist trotzdem unser Bruder.“
„Er ist ungefährlich!“
„Freundlich.“
„Ganz fremd!“
„Nicht fremd.“
„Er ist ein Heylaner.“
„Ein was?“
Eine graue Tigerkatze kratzt sich scheinbar beiläufig hinter dem Ohr. Dann spricht sie mich direkt an.
„Captain Thalno! Schön, dass du uns gefunden hast!“
Ein stattlicher grauer Kater aktiviert ebenfalls lässig seinen Translator.
„Das war leider nicht sehr aufschlussreich für unseren Feldversuch. Wir wissen jetzt alles über Tierheime … aber sonst? Selbst Hamba, der als Jack Russell wenigstens ab und zu ausgeführt wird, konnte nicht viel zum Forschungsprojekt beitragen.“
„Wau! Wau!“, meldet sich der Terrier zu Wort. „Ich konnte einiges über menschliche Kinder erfahren. Sie spielen gern mit mir und sie erzählen von zu Hause. Aber für den Abschlussbericht wird es vermutlich nicht ausreichen.“
Die Leiterin des Tierheims atmet hörbar aus.
Die Kinder lassen ihren Liebling, den bunten Jack Russel abrupt los.
„Dodo! Lieber Dodo! Du kannst sprechen?“
Dann sehen sie zu mir auf.
Sie wirken auf einmal verängstigt.
Merkwürdigerweise drängeln sich zwei besonders hübsche schwarze Katzen – sie könnten Schwestern von Amandas Grilka sein – ganz dicht an die beiden katzenartigen Humiliavatare und sehen mich fordernd an.
„Wer seid ihr denn?“, denke ich.
„Wir sind Horaths und Palmas Freundinnen. Lass uns bitte nicht zurück!“
„Das stimmt“, bestätigt Horath, der große Kater würdevoll. „Wenn du es irgendwie ermöglichen kannst … ich würde mich sehr ungern von den Beiden trennen.“
„Ich nehme die beiden Schwarzen auch mit“, erkläre ich Frau Dressler. „Ich habe ein Haus mit Garten. Es ist genug Platz für vier Katzen und einen Hund.“
Jetzt erfüllen lautes Kläffen und Miauen den ganzen Korridor mit den vergitterten Türen.
Die Kinder halten sich demonstrativ die Ohren zu.
Aber nur ich kann die mentalen Schreie der Tiere wahrnehmen.
„Nimm mich mit!“
„Es ist hier so langweilig!“
„Rede mit uns!“
„Erkläre uns alles!“
„Nimm mich mit!“
„Bitte!“
„Ihr Lieben und Guten“, denke ich. „Leider habe ich nicht Platz für euch alle. Aber ich verspreche, dass ich euch regelmäßig besuchen werde, Ihr sollt alles erfahren.“
„Was bist du? Was? Was? Was?“
„Ich bin ein Mann von den Sternen. Horath, Palma und Hamba, den die Kinder Dodo nennen, sind ebenfalls von den Sternen. Ich weiß, dass ihr das jetzt noch nicht verstehen könnt, aber ich komme wieder und zeige es euch.“
„Du vergisst uns bestimmt nicht?“
„Nein, das schwöre ich euch bei meiner Ehre und bei Am´Ramah, dem Einen, der alles sieht und niemals eingreift.“
Langsam beruhigen sich alle wieder.
Knut holt vier Katzentransportbehälter aus dem Auto und die Leiterin des Tierheims reicht mir eine Hundeleine in Terriergröße.
„Die brauche ich nicht“, erkläre ich ihr. „Hamba ist vernünftig und wird freiwillig in meiner Nähe bleiben.“
„Wir brauchen auch keine Kisten!“, protestieren Horath und Palma.
Ich zögere, weiß nicht recht, wie ich es ihnen erklären soll.
„Es geht nicht anders und es ist auch nur für die Autofahrt“, springt Knut für mich ein. „Die Straßenverkehrsordnung schreibt leider vor, dass kleine Wesen wie ihr sicher untergebracht werden müssen. Habt bitte Geduld, es ist nicht weit bis zu Thalnos Haus.“
„Das ist ungerecht, Hamba ist auch nicht viel größer als ich“, murrt Horath.
„Er ist ein Hund. Die gehorchen, wenn sie gut erzogen sind, aufs Wort und dürfen deshalb im Kofferraum reisen.“
Die vier Katzen schlüpfen freiwillig in ihre Transportbehälter.
Die Kinder kommen vorsichtig näher und sehen Hamba sehnsüchtig an.
„Captain Thalno! Dürfen wir Dodo zum Abschied noch einmal streicheln?“
„Da müsst ihr ihn selbst fragen“, erkläre ich. „Er ist ein freies intelligentes Wesen, eine erwachsene Persönlichkeit.“
„Au Backe!“, murmelt ein kleiner Junge leise.
„Wau! Knuddelt mich noch mal ordentlich durch!“, bellt der Humili fröhlich. „Ihr seid meine Freunde. Ich werde euch nie vergessen.“
„Dodo! Dürfen wir dich besuchen?“
„Ja natürlich dürft ihr Hamba bei mir besuchen“, antworte ich schnell.
„Erzählst du uns dann von deinen Weltraumabenteuern?“
Was für nette tierliebe Kinder! Ich freue mich schon auf sie.
„Meine Reisen waren zwar nicht halb so abenteuerlich wie Star Trek – aber ich erzähle euch trotzdem gern davon.“
Dann wende ich mich an die Leiterin des Tierheims: „Haben Sie eine Ahnung, wo die übrigen Humili, ein Labrador und drei weitere Katzen gelandet sein könnten?“
„Da sehen wir am besten in meinen Unterlagen nach“, antwortet sie.
Wir nehmen unsere Transportbehälter und verlassen den Trakt mit den Käfigen. Hamba geht brav bei Fuß mit.
Ein Schwall Trauer und Verzweiflung schwappt hinter uns her. Ich kann den zurückbleibenden Tieren leider nur mit meinem eigenen Trennungsschmerz und einem mentalen Versprechen antworten.
Frau Dressler findet die Unterlagen der Humili sofort.
„Alle drei Aliens wurden von einer gewissen Katja Hardenberg abgeliefert. Sie sagte, dass sie noch mehr Tiere gefunden hätte und dass sie nicht alle selbst behalten oder in der Verwandtschaft umverteilen könne. Ich gebe Ihnen Telefonnummer und Anschrift.“
Hardenberg … eine Berliner Adresse … so heißt doch Amandas Tochter Melissa seit ihrer Heirat. Ob das ein Zufall ist? Möglicherweise bin ich den fehlenden Schiffskameraden ganz nahe. Am liebsten würde ich gleich zu dieser Katja Hardenberg weiterfahren.
Knut ahnt, was in mir vorgeht.
„Lass uns erst einmal diese Fuhre nach Hause bringen. Selbst wenn deine Humili einsehen, dass sie noch ein bisschen warten müssen – die beiden Grilkas da sind bestimmt weniger geduldig. Und Denheb hofft auch schon darauf, dass die Fremden endlich aus eurem Haus verschwinden.“
„Und deine Liebste wartet“, amüsiere ich mich.
„Ja, mein Schatz freut sich auf einen Anruf und auf …“
Er verstummt errötend und ich muss daran denken, dass er trotz seiner prekären sozialen Lage ein glücklicherer Mann ist als ich.
Leseprobe aus Band I, Kapitel II „Unsichtbare Wunden“
Wächter der Erde
Ein Dozent der Uni Potsdam und seine Studenten werden bespitzelt
Gerade ertönt ein Gong – nur das alte Reptil besteht auf so einem Quatsch – und einer der Assistenten öffnet die kleine Tür direkt neben dem Pult.
Old Dragon hat ziemliche Schwierigkeiten, sich durchzuquetschen. Wegen der guten Würste aus Stendal ist er ein bisschen aus dem Leim gegangen. Seine harten Schuppen schrapen laut am Türrahmen, während er eintritt.
„Gute Gedanken und Frieden, meine Damen und Herren!“, zischt er grinsend und schiebt sich schnell drei Wiener Würstchen und zwei Frikadellen ins Maul. „Wo waren wir beim letzten Mal stehen geblieben?“
„Bei den humanoiden Spezies im Allgemeinen …“
„Richtig! Heute befassen wir uns mit einigen wichtigen Theorien über Humanoide.“
Der Saurier schnappt sich noch schnell ein paar dicke Scheiben Salami und leckt sich anschließend genüsslich die Klauen. Das sind doch keine Manieren für einen Prof! Da fehlt es nur noch, dass er hinter das Katheter mistet!
„Tja, liebe menschliche Studenten“, zischelt die Echse und ihre gelben Augen glitzern listig. „Ich habe ja schon beim vorigen Mal angedeutet, dass einiges auf einen künstlichen Ursprung der Humanoiden hindeutet. Sie sind einander einfach zu ähnlich, und das nicht nur in Größe und Gestalt, sondern auch, was den Bau, die Funktionsweise ihrer Gehirne und ihre genetische Struktur angeht. Natürlich sind Menschen und Heylaner zum Beispiel nicht wirklich genetisch kompatibel. Aber schon die Tatsache, dass beide über eine DNS verfügen und es möglich ist, die Erbanlagen der einen Spezies in die der anderen zu übersetzen, ist verblüffend. Bei Warkanern und Pferden oder Tannari und irdischen Kraken würde das nicht funktionieren. Die sehen einander nur äußerlich ähnlich und das hat mit den Lebensumständen zu tun.“
Mir wird ein bisschen schlecht bei dem Gedanken, dass menschliche Weiber nicht nur mit Heylanern poppen, sondern auch Kinder von ihnen kriegen können. Wenn dieser Spuk mit der Liga vorbei ist, werden wir so einiges einsammeln und einschläfern müssen. Promenadenmischungen aus Menschen und Aliens sind doch völlig inakzeptabel!
Inzwischen spinnt Old Dragon seine Theorie weiter.
„Irgendjemand hatte ein Interesse daran, zumindest Teile unserer Galaxis mit Affen zu bevölkern und so diese Art zu multiplizieren und in die Zukunft hinüberzuretten. Wahrscheinlich war es ein sterbendes humanoides Volk, denn Reptilien oder Lurche würden – wenn überhaupt – reptilienartige oder amphibische Lebewesen erschaffen. Ab einem bestimmten Stadium hält sich jede Zivilisation für die Spitze der Evolution und nur besonders intelligente Völker oder Individuen schaffen es, sich von diesem Größenwahn freizumachen und das Leben in seiner ganzen Großartigkeit und Vielfalt zu begreifen. Technische Errungenschaften einer Spezies sind leider keine Garantie dafür, dass besondere Weisheit vorhanden ist. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Auch die Wikissa halten sich für einen einsamen Gipfel der Evolution und leiten daraus ab, dass sie das natürliche Recht haben, alle übrigen Lebewesen zu fressen … und zwar roh und zappelnd. Sie halten ihre Jagdbräuche für zivilisatorische Errungenschaften und ihr unstetes Vagabundenleben für die einzige erstrebenswerte Freiheit. Ja, wir sind gefährlich und gruselig und mit dieser unvernünftigen und rücksichtslosen Gier leben zu müssen, ist auch gruselig.“
Es ist das erste Mal, dass das Vieh so schamlos über seine eigene Art spricht.
Ich finde es dreist, wie es provozierend über das Fressen und Sterben schwadroniert. Diesen gefühlsduseligen moralischen Unsinn nehme ich ihm jedenfalls nicht ab.
Offensichtlich hat ihm die Erinnerung an vergangene Fressorgien Appetit gemacht, denn es verspeist schon wieder genüsslich einige Wiener Würstchen und spült mit einem Liter Mineralwasser nach. Es fehlt wirklich nur noch, dass der alte Saurier laut rülpst!.
„Zivilisiertheit hat viel mit Selbstkritik zu tun“, fährt das Reptil fort. „Wer sich selbst für perfekt und in jeder Hinsicht für vollkommen hält, findet zwangsläufig keinen Kontakt zu anderen intelligenten Spezies und tut zu wenig für die eigene Weiterentwicklung. Arroganz führt zur Verblödung … zumindest zu sozialer Inkompetenz. Aber ich bin ein bisschen abgeschweift.“
Ein paar Frikadellen und eine Salami bringen den Saurier zurück in die Spur.
„Die Schöpfer der Humanoiden sind vor Jahrmillionen spurlos verschwunden. Was meinen Sie, was das für Leute waren?“
„Ästheten“, sagt ein süßes Mädchen mit Wuschelhaar und einem Pony bis über die Augen verträumt. „Humanoide sind schön.“
Ich kenne die Kleine noch nicht und fotografiere sie unauffällig mit dem Handy.
„Das gilt aber nicht für alle“, widerspricht ein bebrillter Jüngling. „Manche Exemplare sind auch ganz schön hässlich und für gewisse Organe könnte ich mir auch eine ansprechendere Lösung vorstellen.“
Jetzt reden die Streber in den vorderen Reihen wild durcheinander und die Penner weiter hinten heben genervt die Augenlider.
„Ich hätte die Humanoiden schlauer gemacht.“
„Weniger aggressiv.“
„Ich hätte für eine allgemeine Tötungshemmung gesorgt.“
„Kriege unmöglich gemacht.“
„Der Rangordnungsfimmel von Humanoiden ist ätzend.“
„Und die Kerle mit ihrem Machogehabe erst.“
„Ich hätte dafür gesorgt, dass Männer und Frauen gleich stark sind.“
„Ich hätte das mit der Geburt leichter gemacht.“
„Und das Sterben … ich hätte das Sterben abgeschafft.“
Was für eine Peacersammlung!
Auf die Weise würde die Menschheit heute noch mit Faustkeilen herumhantieren und irgendwelche Buschgötter anbeten!
Nur der Kampf hat uns vorangebracht.
Nur so konnte eine schöne und kraftvolle Herrenrasse entstehen!
„Ich verstehe Ihre Wünsche und Sehnsüchte sehr gut“, der Herr Dinosaurier grinst jovial. „Aber das meiste davon ist nicht realisierbar, weil es mit dem Leben selbst nicht kompatibel ist. Es wird immer Interessenkonflikte zwischen Personen, Völkern und Spezies geben und folglich auch manchmal Krieg. Dass Männer und Frauen sich in manchen Dingen unterscheiden, resultiert aus ihrer biologischen Funktion – und dass wir alle irgendwann sterben müssen, hat damit zu tun, dass wir Kinder haben, die ihre eigenen Lebenschancen brauchen. Auch ein altes Reptil wie ich muss irgendwann jungen Schlüpflingen Platz machen. Mir gefällt das überhaupt nicht, denn mir schmeckt die Wurst immer noch sehr, aber grundsätzlich habe ich mich damit abgefunden. Manche Ideen von Ihnen wären ausgesprochen hilfreich, aber die Schöpfer hatten offenbar anderes im Sinn. Ihr könnt davon ausgehen, dass Lebewesen, die die eigene Art vervielfachen, ein bisschen verrückt sein müssen – und dass sie, wenn sie Gott spielen, etwas viel Großartigeres schaffen wollen, als es die Natur vermag. Überlegt einmal: Menschen als ganz normale Weiterentwicklung der Affen, dazu telepathische Heylaner und Norna. Wohin kann das zielen? Was wollten die Schöpfer kreieren?“
Ein Teil der Studis ist empört.
„Wir sind doch wohl ein bisschen mehr als intelligente Affen!“
„Außerdem stammten die Schöpfer bestimmt auch von gewöhnlichen Primaten ab.“
„Die haben tatsächlich Primaten in der Galaxis verteilt …“
„Primaten von der Erde mit DNS und allem Pipapo.“
„Also waren die Schöpfer Menschen?“
Große gläubige Augen!
Wortloses Staunen!
Die nehmen dem alten Reptil auch noch den hirnlosesten Quatsch ab!
Obwohl … dass die Menschheit der Ursprung allen humanoiden Lebens sein soll, gefällt mir. Wenn das keinen Anspruch auf die Herrschaft über die Galaxis rechtfertigt …
„Das mit der DNS ist kein Grund, vor Stolz zu platzen“, zischelt das Reptil grinsend. „Das trifft nämlich auf alle Planeten zu, auf denen sich Primaten oder humanoide Intelligenzen entwickelt haben. Auch die Glasvögel und die Raspayatis auf Heyla verfügen über DNS. Die Aussaat muss also in einem sehr frühen Entwicklungsstadium des Lebens erfolgt sein. Alles wurde von den Schöpfern programmiert. Möglicherweise wurden die entsprechenden Planeten durch eine Art Terraforming auf die ‚Besiedlung durch eine bestimmte Art organischen Lebens vorbereitet. Vielleicht wurde anderes Leben dafür geopfert.“
„Dann waren das aber keine guten Schöpfer“, flüstert die Wuschelmaus entsetzt. „Dann waren das einfach nur Okkupanten und Mörder. Gibt es dafür Anhaltspunkte?“
„Die Ma´Rinnu auf Heyla“, antwortet Old Dragon ruhig. „Sie sind anorganisch, haben nicht einmal ansatzweise eine DNS. Ihre Biologie ist völlig unverständlich. Sie müssen es irgendwie geschafft haben, in den Tiefen des Sandozeans das Inferno der Transformation zu überleben und sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Die Ma´Rinnu sind eine ganze Vorlesung wert. Über sie reden wir ein andermal.“
„Sind sie intelligent?“
„Was haben sie für Technik?“
„Wie vertragen sie sich mit den Heylanern?“
Der Saurier stärkt sich erst einmal ausgiebig, bevor er die Fragen beantwortet.
„Ob die Ma´Rinnu in unserem Sinne intelligent sind, wissen wir nicht. Sie sind neugierig, können den Gesang der Sterne wahrnehmen und sie wissen von dem Einen, der alles sieht und niemals eingreift. Sie sind sozusagen mit Gott persönlich bekannt. Andererseits haben sie keinerlei Interesse daran, etwas zu produzieren oder die Welt zu verändern. Manchmal reden sie mit den Turuska … und sie interessieren sich für ihren Sex. Sie essen Sand und geben seltsame giftige Mineralien von sich. Traditionelle Mentaltechniker benutzen den Kot der Maß Rinnu zur Behandlung von Verbrechern. Mehr ist über diese erstaunliche Spezies nicht bekannt.“
Na, das sind vielleicht degenerierte Produkte der Evolution!
Kriechen wie die Würmer im Sand herum, misten die Wüste voll und kollaborieren mit den Weltraumkanaken! Es müsste doch möglich sein, sie mit ein bisschen Gerammel anzulocken und dann ein paar Atombomben … nur für den Fall, dass sie doch irgendwann unbequeme Interessen entwickeln sollten.
Aber darauf kommen die Heylaner nicht.
Wie kann man nur seinen Planeten freiwillig mit der Konkurrenz teilen?
Die Studis sind mit ihren Gedanken schon wieder ganz woanders.
„Was meinen Sie, Professor Zoraff, hat man Ihre Spezies eventuell auch ausgesät. Vielleicht hat jemand dafür gesorgt, dass es überall im Universum Krokodile gibt.“
„Nein, uns hat niemand ausgesät. Die irdischen Krokodile stehen den Menschen näher als den Wikissa. Unsere Physiologie und unsere Fortpflanzung funktionieren ganz anders. Aber das ist mir zu heikel für einen Hörsaal. Darüber können wir uns beim nächsten gemeinsamen Besäufnis unterhalten.“
Aha! Die Schleimer gehen inzwischen mit dem Vieh in die Kneipe! Wahrscheinlich duzen sie sich sogar außerhalb der Uni! Der Saurier plaudert bestimmt im Suff allerhand Geheimnisse der Liga aus. Das nächste Mal setzte ich mich ganz nach vorn und quatsche ein bisschen mit. Vielleicht werde ich dann auch eingeladen …
Ich bin in Gedanken beim Pläne schmieden und höre nur noch mit einem halben Ohr zu.
„Wir schweifen zu sehr ab. Wir wollen nachvollziehen, was den Schöpfern der Humanoiden wichtig war. Ich gebe Ihnen eine kleine Hilfestellung. Es gibt mehr als die drei von mir genannten humanoiden Völker in unserer Galaxis. Manche können noch nicht zu den Sternen reisen und fallen unter die Leitmaxime der Liga. Das heißt, sie werden aus der Ferne beobachtet und beschützt … aber niemand darf sich in ihre Entwicklung einmischen. Andere humanoide Völker leben im schwarzen oder gelben Sektor. Manche von ihnen wurden von fortschrittlicheren Spezies versklavt. Manchen nahm man nur interessante Ressourcen ihrer Planeten weg, andere dienten als Jagdbeute. Sie können sich bestimmt vorstellen, dass mein Volk überall unterwegs war und Beute gemacht hat. Als junges Reptil war ich auf mehreren verbotenen Planeten der Liga. Diverse Großmeister haben mich im Jagen und Fallen stellen unterwiesen.“
Ein Raunen geht durch den Hörsaal. Die Bestie hat sich verplappert!
„Und haben Sie damals etwa auch …“ Das wuschelhaarige Mädchen verstummt abrupt und schlägt entsetzt die Hände vor den Mund.
Was hat sich die Tussy eigentlich gedacht? Der Herr Professor sieht beim besten Willen nicht wie ein Unschuldiger aus. Der hat sich garantiert auch den Wanst mit zappelnden und schreienden Humanoiden vollgestopft.
Vielleicht hat er sogar hier auf der Erde gewütet!
Zoraff ist klar, dass er um eine Stellungnahme nicht herumkommt.
„Ich habe, bevor die Heylaner sich um mein Umah gekümmert haben, so einiges gegessen, was zwar den Magen erfreut hat, inzwischen jedoch mein Gewissen sehr belastet“, grollt er unerwartet kleinlaut. „Allerdings war die Erde damals viel zu gut bewacht …“
„Und früher?“, erkundigt sich ein anderer Streber mit belegter Stimme.
„Was meint ihr, wo all die Geschichten über sprechende Drachen und ihren unersättlichen Appetit auf junge Mädchen herkommen?“, kontert die Echse verkniffen. „Weibliche Menschen sollen ausgesprochen lecker schmecken, nicht so streng wie die Männer.“
Jetzt mustert Old Dragon den armen kleinen Wuschelkopf listig und reißt demonstrativ den Rachen ganz weit auf.
Die Studentin weicht mit einem leisen Aufschrei zurück.
„Chrrrr!“, meint das schuppige Biest und beugt sich erst einmal über die Plastikschüssel mit den Würsten. „Chrrrr! Ich wollte niemandem Angst einjagen. Ich kann ja nicht ungeschehen machen, was ich früher getan habe. Die Heylaner haben mir den Prozess gemacht. Sie haben mir verziehen und mir nur eine jährliche Auffrischung meiner Ethik bei einem guten Umahaij-Meister verordnet – und das, obwohl ich unter Anleitung meines Jagdlehrers auch einen alten Heyla´Rah getötet und verspeist habe. An das Urteil halte ich mich und ich verstoße täglich aufs Neue meine Gelüste nach frischem zappelndem Essen … und das, obwohl meine Erinnerungen an das angenehme Gefühl im Magen und in der Speiseröhre immer noch sehr lebendig ist. Zivilisiertheit hat eben ihren Preis. Wo waren wir gleich stehen geblieben? Ach ja, bei den humanoiden Leckerbissen.“
Ich habe inzwischen den Eindruck, dass Zoraff uns Menschen absichtlich provoziert – so hat er sich in den vorigen drei Vorlesungen nicht aufgeführt. Möglicherweise ist das für ihn und seine Anhänger nur ein faszinierendes Spiel.
Wie bei dem beliebtesten Egoshooterspiel der Wächter: Krieg der Welten. Das gibt es nur auf einer dreifach gesicherten privaten Webseite und es macht richtig Spaß! Da kann man auf die verschiedenen Spezies der Liga ballern. Für einen abgeschossenen Beloraner gibt es einen Punkt, für tote Warkaner und Tannari drei Punkte, für gekillte Ah´Maral sieben Punkte und so weiter. Wer den schwulen Chef der Okkupanten erlegt ist Sieger.
Da möchte man immer mehr Aliens abschießen und immer höhere Level erreichen.
Da kann man auch nicht einfach aufhören.
Dem Wikissa geht es bestimmt nicht anders. Trotzdem: Das alte Reptil ist nicht dumm und würde niemals seine bürgerliche Existenz im Roten Sektor gefährden!
Außerdem kriegt er ja alles, was er braucht von dieser Großfleischerei geliefert. Viele Menschen wären froh, wenn sie sich um ihr Essen so wenig Sorgen machen müssten.
Das ist alles so ungerecht!
Eigentlich gehört ein Biest wie Zoraff vor ein Erschießungskommando oder wenigstens lebenslänglich bei Wasser und Hundefutter in den Knast. Das wäre doch das mindeste, um die Schmach der Menschheit zu sühnen.
Wenn diese Wikissa sich wenigstens auf das Fressen von Juden oder Kanaken beschränkt hätten – aber es gibt auch nordische Sagen von Jungfrauen, die irgendwelchen Drachen geopfert wurden.
Verdammt! Die haben unsere Vorfahren gefressen …
Die wuschelköpfige Studentin schaut nachdenklich zu mir herüber.
Auf einmal fühle ich mich irgendwie nackt.
Die Kleine kann doch unmöglich wissen, wer ich bin!
„Menschen, Heylaner und Norna …“, wiederholt inzwischen Old Dragon nachdrücklich. „Die Menschen verfügen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen über rudimentäre telepathische Fähigkeiten, Heylaner sind mindestens Berührungstelepathen und die Norna sind alle imstande, die Gedanken ihrer Mitgeschöpfe wie einen unverschlüsselten Datenstrom aufzunehmen. Zwischen Menschen und Heylanern gibt es eine Art Missing Link: Die silberhäutigen Nakkaraner. Bei ihnen sind die meisten Angehörigen der Priesterkaste ebenfalls Berührungstelepathen, während der Rest der Spezies gedankenblind ist. Natürlich achten die Priester darauf, dass ihre kostbaren Erbanlagen nicht in die falschen Familien geraten. Deshalb haben sie ein strenges Kastensystem eingerichtet, denn wer die Gedanken seiner Mitbürger lesen kann, hat sehr viel Macht über sie. Was schlussfolgern Sie aus diesem merkwürdigen Kontinuum? Sieht das nicht nach einer Versuchsreihe aus?“
Die Studis tuscheln und blättern hektisch in ihren Kladden.
Niemand meldet sich.
Old Dragon schnaubt enttäuscht.
„An der Grenze des schwarzen Sektors zum Gebiet der Liga gibt es den Planeten Talur, der um die riesige Sonne δ Centauri kreist. Dort lebt eine humanoide Spezies, deren Hautfarbe sich je nach Gefühlslage verändert. Diese Leute müssen sich verhüllen, um ihre Empfindungen sicher zu verbergen, und das tun sie auch zumeist. Andererseits sind sie bei ausreichender geistiger Disziplin gern bereit, ihre Haut zu zeigen. Die Könige der Taluri zum Beispiel treten bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit nackt vor ihr Volk, um ihre edlen Emotionen – Sanftmut, Wohlwollen und Liebe gegenüber ihren Untertanen – zu zeigen und so zu beweisen, dass sie nicht lügen. Auch die Taluri passen hervorragend in die Versuchsreihe. Jetzt ist es eigentlich ganz einfach. Was wollten die Schöpfer erreichen?“
Ich stelle mir gerade vor, wie es wäre, wenn man mir ansehen könnte, dass ich ein Wächter der Erde bin. Wenn ich plötzlich Flecken oder gar Runen auf den Händen und im Gesicht hätte.
Dann könnte ich nicht spionieren.
Ein winziger Teil von mir wäre erleichtert.
Der blonde Wuschel schaut Old Dragon unter ihrem Pony hervor verliebt an.
Dann meldet sie sich hektisch:
„Ich weiß es! Ich weiß es! Die zukünftigen Humanoiden sollten am Lügen gehindert werden. Das ist ja genial! Einfach nur genial!“
„Richtig, Fräulein …“
„Sarja!“, sagt das Mädchen. „Ich heiße Urania Sarja!“
„Sie kriegen eine Eins!“, erklärt die Echse leutselig. „Das war gute Mitarbeit. Weiter so!“
„Danke“, flötet die Kleine und schaut wieder zu mir herüber.
Was hat sie nur?
Sie blinzelt kokett.
Gefalle ich ihr etwa?
Die Maus sieht nicht übel aus: ein bisschen klein aber immerhin blond und schlank.
Ihre Augen sind himmelblau und der weiche Mund knallrot.
Ich kritzele meine Telefonnummer auf ein Blatt Papier, falte es zu einem Flugzeug und lasse es zu ihr hinübersegeln. Ich war schon als kleiner Junge gut im Basteln und lenken von Papierfliegern. Er landet zwei Bankreihen hinter dem Mädchen und es streckt wahrhaftig die Hand aus und lässt ihn sich zureichen!
Eigentlich darf ich mich nicht mit Mädels aus der Schleimerfraktion abgeben. Das verbieten die Gesetze der Wächter der Erde aus Sicherheitsgründen. Aber die Alienfreundin ist so nachgiebig, süß und naiv. Sie wird sich problemlos auf unsere Seite ziehen lassen.
Auf einmal rauscht es wild in meinen Ohren.
Das sind wohl die Hormone – jedenfalls ist mein bestes Stück auf einmal hart wie der Stößel eines steinernen Mörsers.
Die Kleine!
Was interessiert mich da noch das Gelaber von so einem alten Reptil!
Das ist doch sowieso alles Quatsch. Diese Theorie von der Superzivilisation, die die Lüge ausrotten wollte.
Wie soll man ohne Propaganda Kämpfer für die gute Sache gewinnen?
Propaganda nimmt wenig Rücksicht auf die Wahrheit, Das ist bei allen Parteien so.
Wie sollen wir ohne Propaganda unsere Feinde besiegen?
Wie ein tausendjähriges Reich errichten?
Und wie die Mädels ins Bett kriegen?
Nein, die Lüge gehört zum Leben wie das rote Blut in unseren Adern.
Wie der Mutterboden, auf dem wir stehen und der uns ernährt.
Wenn es die edlen Schöpfer überhaupt jemals gab, so waren sie Schwachköpfe!
Die Wahrheit wichtiger nehmen als das Schicksal oder die gute Rasse!
Das geht doch gar nicht.
Zum Glück sorgt der altmodische Gong dafür, dass der alte Saurier endlich aufhört zu labern. Vielleicht ist auch bloß die Schüssel mit den Würsten leer.
Ich habe alles, was ich brauche: Die Fotos und Diskussionsbeiträge von elf neuen schleimigen Alienfreunden. Sie werden demnächst Besuch bekommen.
Einige von ihnen wird man als Warnung krankenhausreif schlagen.
Andere wird man tot im Park finden, hübsch mit Losungen der Wächter der Erde dekoriert. So etwas bringt ordentlich Unruhe ins Volk! Und der Schwuchtel da oben in ihrem fetten Raumschiff verderben wir damit gründlich den Schlaf!
Bei meinem Bericht an die Administration der Wächter werde ich den Namen Urania Sarja weglassen. Es wäre schade um die hübsche Kleine und vielleicht …
Wenn ich sie nicht überzeugen kann, lasse ich sie eben ein andermal wegputzen.
Ich frage mich nur, warum die Kleine so spöttisch lächelt, während ich das denke …
Leseprobe aus Band II, Kapitel II „Feind oder Bruder?“
Es wird demnächst Krieg geben!
Amanda muss mit ihren Katzen auf den Planeten Heyla umziehen
Nur noch zwei Tage auf der Erde. Es ist später Abend. Wir sitzen mit meinem Nachbar Knut in der halb leeren Wohnung vor dem Fernseher, sehen uns den Weltenspiegel an, trinken Bier und Mineralwasser.
Ich habe das dumme Gefühl, dass ich zum letzten Mal auf diese Weise deutsche Gemütlichkeit erlebe. Ich habe darüber zwar immer heftig gelästert aber nun wird mir klar, dass mir das entsetzlich fehlen wird. Selbst die banalen Sendungen für Rentner und Arbeitslose – Melissa nennt so was ganz frech Assifernsehen – können den Tag angenehm strukturieren.
Bin ich doch zu alt für das große Abenteuer?
„Du wirst neue Gewohnheiten entwickeln“, meint Grimsah verschmitzt. „Deine Füße werden im Schein der drei Monde von Heyla den Weg zum Zelt eines gewissen Waffenbruders von ganz allein finden.“
„Häh?“, sagt Knut verdutzt. „Habe ich was verpasst? Seid ihr jetzt zusammen? Gibt es was zu feiern?“
„Es ist noch gar nichts entschieden“, erkläre ich reserviert. „Grimsah ist ein Optimist.“
„Was die einzig logische Haltung ist“, kontert der alte Ah´Maral würdevoll. „Es lohnt sich immer, für den Erfolg zu kämpfen. Für Katastrophen muss man hingegen gar nichts tun. Die kommen von allein.“
„Wenn du da an die Attentate denkst …“
Knut ist plötzlich finster wie eine Gewitterwolke. „Ich war ja nicht lange Berater bei eurem komischen Verein, aber einige von euch hatten schon eine dicke rosarote Brille auf. Diese ganze Schönfärberei ist mir gewaltig auf den Keks gegangen. Wenn ich daran denke, was Schandras Khar so zusammen gewiehert hat, wenn der Tag lang war.“
Grimsah braucht eine Weile, bis er sich Knuts Metaphern sortiert hat.
„Optimismus braucht einen langen Atem. Das Gute wächst nur sehr langsam, während sich die reine Entropie explosionsartig ausbreiten kann.“
„Außerdem wuchert sie auch im Verborgenen“, gebe ich zu bedenken. „Sie nimmt uns von zwei Seiten in die Zange. Es wäre gut, wenn man die grünen Weiden ein bisschen schneller blühen lassen könnte. Ich habe Angst, dass wir das Rennen verlieren.“
„Ich auch“, murrt Knut. „Gegen das, was dann kommt, waren Hitlers braune Horden vermutlich noch ganz gemütlich.“
„Na ich weiß nicht“, hält Grimsah dagegen. „Sechs Millionen ermordete Mitbürger … und weswegen? Weil sie den gleichen irrelevanten Gott auf die falsche Weise angebetet haben?“
„Eigentlich war es noch dämlicher“, mische ich mich ein. „Es ging um solchen Quatsch wie Rasse, Haarfarbe, Größe und Krümmung der Nase …“
„Mit Rassismus kenne ich mich auch aus“, bekennt der schwarze Gandalf. „Einigen wir uns darauf, dass das Böse überall und immer wächst, bis man ihm irgendwann Einhalt gebietet, oder bis alles kaputt ist. Ihr Menschen habt es geschafft, diesen Volksverhetzer aufzuhalten und auf Heyla gab es den großen Ennu …“
„Von dem Admiral Koolmak nicht allzu viel hält“, bemerkt Knut nachdenklich. „Ich habe einmal mit ihm zusammen gefrühstückt und wollte wissen, wie es ist, so berühmte Vorfahren zu haben. Er hätte mir beinahe seinen Teller an den Kopf geworfen.“
„Was? Der Lurch kann richtig wütend werden?“, amüsiere ich mich.
„Aber ja. Auf seine eiskalte lurchige Art. Es war zum Fürchten.“
Grimsah lächelt leicht.
„Der Admiral ist dafür bekannt, dass er ab und zu seinen Gefühlen freien Lauf lässt.“
„Und der darf das?“, empört sich Knut. „Müsste so ein großes Tier nicht Vorbild sein?“
„Vielleicht ist er es ja gerade deshalb.“
„Versteh ich nicht.“
„Koolmak ist ein Rebell“, erklärt der schwarze Gandalf sanft. „Er verteidigt sein Turuskaerbe.“
„Der Kerl ist doch weiß.“
„Aber er sieht dennoch seinem Vorfahren Agar aus dem Hause Javo sehr ähnlich.“
„War das auch so ein Brutalo?“, erkundigt sich Knut.
„Er war ein Krieger und ein Anführer … und das in einer extrem harten Zeit. Was erwartest du da? Gruppenkuscheln mit den Adeligen?“
Der Disput der beiden ist hoch interessant. Ich höre gespannt weiter zu.
„Was stört dich an Koolmak“, fragt Grimsah direkt. „Er sorgt für Ruhe und Ordnung.“
„Für meinen Geschmack patrouillieren zu viele Käfermänner auf der Erde herum. Selbst im kleinsten Kaff ist man nicht vor ihnen sicher. In Brielow, wo meine Liebste wohnt, haben sie sogar einen Stützpunkt eingerichtet.“
„Die tun dir doch nichts. Sie sind nur hinter den Wächtern her.“
„Sie geben mir aber das Gefühl, auf meiner eigenen Welt nicht mehr zu Hause zu sein. Außerdem finde ich Lebewesen mit mehr als vier Beinen eklig. Weißt du, ich musste schon einmal Käfige mit riesigen haarigen Vogelspinnen verladen …“
Knut schüttelt sich.
„Die Beloraner sind sehr fleißig und verlässlich.“
„Und sie fressen ihre eigenen Toten. Brrrr.“
„Das geht uns nichts an“, kontert Grimsah scharf.
„Mich würden sie auch fressen.“
„Aber nur, wenn sich niemand um dein Abschiedsritual kümmert. Die Beloraner respektieren die Bräuche ihrer Verbündeten.“
„Da kannst du noch so lecker aussehen“, witzele ich. „Nur wenn deine Liebste es erlaubt …“
„Lass meinen Hasen in Ruhe!“
„Amanda, kann es sein, dass du ein bisschen zu viel Bier hattest?“, erkundigt sich der Krieger mit todernster Miene. „Du musst Knuts Ängste ernst nehmen.“
„Ich habe ja selber Schiss“, gebe ich zu. „Da hilft nur Galgenhumor.“
„So siehst du das also.“
„Guck dir doch mal die Scheiße im Fernsehen an!“ Knut ist jetzt so sauer, wie es sein phlegmatisches Temperament zulässt. „Wächter der Erde, Moslems, Puritaner … alle fuchteln mit Pappschildern und Bombenattrappen herum. Ab und zu kommt irgendein Idiot, der es richtig knallen lässt. Meint ihr wirklich, dass das noch Spaß macht? Eure Käferbataillone kriegen doch gar nicht richtig mit, was passiert.“
„Meinst du das wirklich?“
Plötzlich habe ich den Eindruck, dass Grimsah mehr weiß, als er uns verraten darf.
„Ihr müsst Geduld haben. Admiral Koolmak wird schon bald …“
„Euer scheiß Koolmak kocht auch bloß mit Wasser. Was soll der ausrichten, wenn nicht einmal Girab mit dem Extremistengesindel fertig geworden ist …“
„Das wirst du gleich sehen“, kontert der alte Krieger. „Wir können uns ja im Anschluss an den Weltenspiegel in die Talkshow beim ZDF zappen. Da ist diesmal unter anderem auch Koolmak dabei. Vielleicht gibt es wichtige Neuigkeiten.“
Der verdammte Eisenfresser scheint neuerdings die Medien zu lieben. Erst dieses Briefing und nun auch noch eine Talkshow. Hält der Kerl sich etwa für besonders hinreißend? Für so dumm hätte ich ihn nicht gehalten.
Knut nimmt sich noch ein Bier.
„Ich lasse mich gern von dem Lurch überraschen.“
Leseprobe aus Band III, Kapitel II „Elf Tage und sieben Stunden“
Unterwegs nach Heyla´Thur
Von Menschen, Heylanern und Glasvögeln
Mein Waffenbruder Grimsah bringt mich mit seinem Gleiter zur Endstation der Röhrenbahn am Rand der südlichen Sandwüste. Der frühe Morgen ist noch kühl und ich genieße die Fahrt sehr. Diese grüngelben Riffeln und Dünen von Horizont zu Horizont, den zart gelben wolkenlosen Morgenhimmel darüber und die Schwärme singender Glasvögel. Das blendende Glitzern ihrer schuppigen Flügel.
„Wie intelligent sind die Biester eigentlich?“, frage ich den schwarzen Gandalf. „Könnt ihr mit ihnen kommunizieren wie mit Mihai und Grilka?“
Grimsah steuert sein räderloses Gefährt auf eine besonders hohe Düne, um sich dann mit einem wilden Schrei in die Tiefe zu stürzen. Er kann trotz seiner schneeweißen Haare noch ganz schön verrückt sein.
„Die Glasvögel sind ebenso semiintelligent wie irdische Vögel“, erklärt er mir unten im Tal. „Aber sie leben ganz und gar in der Luft, berühren den Sand erst, wenn sie sterben. Sie interessieren sich nicht für am Boden lebende Wesen und ihre Gedanken. Sie sperren uns aus und sie antworten niemals.“
„Was für arrogante Viecher!“, scherze ich.
„Ich weiß nicht, ob das überhaupt noch Tiere sind“, antwortet Grimsah langsam.
„Habt ihr nie welche gefangen und näher untersucht?“
„Und vielleicht ein Verbrechen an Brüdern im Geist begangen?“
„Aber so ein Geheimnis …“
„Macht unsere Welt schöner und reicher“, antwortet mein liebster Bindungspartner fest. „Wenn es an der Zeit ist, werden sie von selbst zu uns kommen, und bis dahin gehört ihnen der Himmel allein. Wir stören sie nicht.“
Es stimmt. Heylaner kennen zwar die Raumfahrt aber keinen Luftverkehr. Jetzt weiß ich, warum sie sich mit ihren Röhrenbahnen und Gleitern begnügen.
„Es würde unseren Umahs schaden, wenn wir Glasvögel töten … und das ließe sich bei regem Flugverkehr gar nicht vermeiden. Sie schlafen, paaren sich und gebären im Wind. Da können sie nicht auf irgendwelche rasenden Flugmaschinen achten.“
Wir reiten weiter über die Dünen.
Am Horizont ragen bereits die schlanken Türme der Bahnstation empor.
Die weiße Zivilisation Heylas umfängt uns vorsichtig, beinahe heimlich: Infrastruktur, Klimakontrolle, Ultraschallzäune gegen die Raspayatis. Aber die Glasvögel berührt das alles nicht. Sie schweben genauso gern über Wüsten wie über großen Städten. Sie haben ihr eigenes Reich.
„Pass gut auf meine beiden Lieblinge auf“, bitte ich den schwarzen Gandalf.
Er lächelt verschmitzt.
„Klar doch … deine Pelzbabys sind bei mir in guten Händen. Ich liebe sie. Manchmal denke ich ja, dass ein richtiges Baby …“
Seine Haut ist so schwarz, dass man nicht sehen kann, wie er grün wird. Aber seine Hitze erfasst auch mich. Ist der Kerl noch bei Trost?
„Meinst du, dass das noch geht?“
„Ich frage meinen Heiler.“
Er bremst vor dem Wüstenbahnhof und schaut mich erwartungsvoll an. Grilka guckt manchmal auch so, wenn sie denkt, dass ich in meiner Dusseligkeit die falsche Dose aufgemacht habe.
„Grimsah, ich bin eine alte Frau. Ich pack das nicht mehr.“
„Vielleicht mit einem neuen Herzen?“
Verrückter Kerl!
Ich muss mich beeilen, sonst fährt die Bahn ohne mich los.
„Später“, wimmle ich meinen Bindungspartner ab und küsse ihn flüchtig auf die Nasenspitze. „Wir denken später darüber nach.“
Ich fahre nordwärts … vorbei an kleinen Dörfern und Städten … vorbei am Kosmodrom von Heyla´Thur. Jetzt erst wird mir klar, warum es von einem Ring aus Kraftfeldemittern und Ultraschallsendern umschlossen ist. Die Glasvögel sollen von den Flugschneisen abgedrängt werden. Gewarnt und sanft beiseite geschoben werden, während sie schlafen oder sich lieben und die Landefähren zu ihren Mutterschiffen im Orbit emporsteigen.
Diese Tierchen könnten ruhig ein bisschen dankbarer sein. Wenn ich daran denke, was Windkraftanlagen und Flugzeuge mit den Vögeln der Erde anstellen ….
Wir sind noch lange nicht so zivilisiert wie die Heylaner. Menschen würden niemals auf einen Traum verzichten, um ein paar fliegende Echsen zu schützen..
Leseprobe aus Band IV, Kapitel VII „Träume und Schatten“
(C) 2016 Anneliese Wipperling
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