Anneliese Wipperling: „Freiheit genießen“

Freiheit genießen

Ich reise mit dem Wind.
Mein Haus ist er,
mein Bett,
mein Gefährte.

Ich bin ganz oben,
die Berge
weit unter mir.

Durchsichtig bin ich,
wie Luft unsichtbar.

Niemand sieht mich.

Nur selten glänzen
meine Flügel aus Glas
in den schrägen Strahlen
des Abends.

*

Sahlas Freiheit

Etwas tun. Etwas nicht tun.

Etwas denken, etwas vergessen.

Etwas verpassen.

Schlafen, fliegen und leben nach eigenem Gesetz.

Flügelspitze an Flügelspitze

Und dennoch allein.

Ganz allein.

Alles gehört allen – auch die Wahrheit.

Sie hat tausend Gesichter.

Alle sind groß und schön.

Alle sind traurig.

Keins ist unwichtig.

*

Freier Flug

Hoch so hoch!

Die Sterne duften.

Weiße Blüten

im nachtblauen Gras.

Weit so weit!

Das silberne Fell

des Windes

weht mir

ins Gesicht.

Ich wiege nichts.

Bestehe nur aus

Gesang.

Ich brauche nichts.

Nur unsichtbare

Wolkenpfade

und die Freiheit

zu fliegen.

Irgendwohin.

*

Mein Freund von den Sternen

Ich schlinge meine Arme um seinen Hals,

meine Beine um seine schmalen Hüften.

Ich spüre sein weiches Fell und

seinen Geruch nach Ferne.

Dann fliegen wir hoch über den roten

Dächern der Stadt.

Wir reiten auf dem Wind

und schreien vor Lust.

Manchmal spucke ich auch ein bisschen

auf das Gewimmel tief unter mir.

Ich brauch alle Kraft.

Ich muss mich festhalten,

um nicht zu fallen.

Mein Freund hat keine Arme,

nur pelzige Flügel.

Ich vertraue darauf dass er mich zurückbringt,

bevor meine Arme erlahmen.

Dass er stets fühlt, wann ich

festen Boden brauche.

Nur mit ihm fliege ich

ohne Angst.

*

Wahre Freiheit

Im Selbst gefangen
kannst du nicht frei sein.

Jemand anderes
muss der Sand sein
unter deinen Füßen,
der Ozean
an deinen Hüften,
deine Luft zum Atmen.

Jemand anderes
muss die Türen in deinem Geist
für dich öffnen
und deine Dunkelheit
mit Worten füllen.

Der Wind allein
macht dich
nicht frei.

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