In einer grausamen Vorzeit, als die Vulkanier noch Krieg gegeneinander führten, wurde ein gesamter Clan der Turuska von Sklavenjägern ausgelöscht. Nur ein Mann überlebte: Schaman aus dem Hause Kuma. Er begriff, dass nur ein völlig ungewöhnlicher Weg helfen konnte, sein Volk zu retten …
erzählt von Warun aus dem Hause Boras
(Übersetzung von Anneliese Wipperling)
Du weißt sicher schon längst, dass es auf Vulkan nicht immer so friedlich und gerecht zuging, wie heute. Die Clans der ehemaligen Waldbewohner breiteten sich überall aus, besetzten die Quellen und wenigen Binnenmeere … kämpften miteinander um Wasser, Erze, Land … sie waren völlig skrupellos, eine wahre Auslese der absoluten Entropie. Von Anfang an stahlen sie Kinder mit besonderen Kräften, zwangen sie, sich fortzupflanzen und den Genpool ihrer Entführer zu verbessern. Liebe zählte nicht, nur die Erbanlagen waren wichtig. Irgendwann entdeckten sie, dass die dunkelhäutigen Nomaden der Wüste interessantere Erbanlagen hatten als alle anderen Bewohner Vulkans.
Damals, lange bevor eine technische Zivilisation entstand, begann der unerklärte Krieg gegen uns …
Die Turuska waren ein friedliches und spirituelles Volk. Sie lebten in einer Art Symbiose mit den A’Kweth, der anderen, verborgenen Intelligenz auf unserem Planeten. Als die ersten Sklavenjäger kamen, konnten sie sich nicht richtig wehren und viele von ihnen wurden verschleppt. Die A’Kweth verstanden nicht, was geschah … sie konnten uns nicht helfen.
Die Männer der Turuska bewaffneten sich und lernten zu töten. Es sprach sich herum, wie grausam die hellhäutigen Barbaren waren … und auch die Frauen und größeren Kinder lernten, mit Waffen umzugehen. Das Geschäft mit den Sklaven lief nicht mehr so gut, wie am Anfang. Die weniger mutigen Kinderdiebe suchten sich ein anderes Betätigungsfeld. Die Sklavenjagd wurde eine Domäne der mächtigen Häuser, der Fürsten und ihrer Privatarmeen. Der technische Fortschritt machte es immer schwerer, die Zelte zu verteidigen … den Turuska fehlten die Ressourcen für eine richtige Armee …
In jener Zeit lebte Schaman aus dem Hause Kuma. Er hatte eine freundliche Bindungspartnerin, drei kleine Kinder, Brüder, Schwestern … Eltern … Die Zelte von Kuma standen genau hier, wo jetzt der Versammlungsplatz der Ah’Maral ist. Die Clans der Turuska haben entschieden, dass dieses Land für alle Zeiten unser sein soll.
Irgendwann kam kurz vor Sonnenaufgang eine Armee von Sklavenjägern. Sie umstellten lautlos das Lager, dann griffen sie mit Projektilwaffen und Flammenwerfern an. Die Turuska schliefen damals stets mit ihren Waffen neben sich, sie wachten sofort auf, wehrten sich erbittert und viel grünes Blut tränkte auf beiden Seiten den Sand … doch die Übermacht war zu groß.
Als alle kräftigen Männer und Frauen tot waren, rief T’Kerra, die Gemahlin des Wahrträumers alle Erwachsenen zusammen. „Wir wissen, was diese Lematyas mit uns vorhaben … wir dürfen uns nicht ergeben!“
„Aber was sollen wir tun?“ fragte eine junge, schwangere Frau. „Womit willst du sie noch aufhalten?“
„Überhaupt nicht“ , antwortete T’Kerra still. „Sie werden nur unsere Leichen bekommen … das ist immer noch besser, als in den Käfigen dieser Bestien zu vegetieren.“
Wenige Augenblicke genügten und alle waren sich einig. Sie töteten die kleinen Kinder … die älteren begaben sich zusammen mit den Erwachsenen zum Abgrund ohne Wiederkehr. Als die Feinde das Zeltdorf einnahmen, fanden sie nur Leichen, einige spärliche Vorräte und wertlose Habseligkeiten. In ihrer Wut verbrannten sie alles. Ihre eigenen Toten verscharrten sie notdürftig im Sand.
Das Haus Kuma gab es nicht mehr. Nur ein einziger Mann, Schaman, war übrig geblieben, weil er zu diesem Zeitpunkt zufällig nicht bei seinen Zelten war. Es heißt, dass er, nachdem er zurückgekehrt war, drei Tage und drei Nächte ununterbrochen weinte. Danach begrub er die Überreste seiner Verwandten und schwor den Sklavenjägern Ashv’cezh, Rache schlimmer als der Tod. Diese Rache war der einzige Sinn, den es noch in Schamans Leben gab … trotz seines großen Schmerzes war sein Verstand ganz klar. Irgendetwas musste es doch geben, das die Feinde nicht hatten … eine geheime, mächtige Waffe … etwas völlig Unerprobtes … Unerhörtes … Und dann verstand er es: Das Einzige, was die anderen nicht vorweisen konnten, war die Macht bedingungsloser Liebe.
Schaman wanderte von Zeltdorf zu Zeltdorf, sprach mit den jungen ungebundenen Männern und Frauen, erklärte seine Idee … und immer mehr folgten ihm. Als er etwa dreißig Anhänger zusammenhatte, gingen sie zu den verkohlten Zelten des Hauses Kuma und vereinigten sich dort miteinander. Sie nannten ihren Kriegerbund die Ah’Maral … die Unbesiegbaren. Innerhalb weniger Wochen wurden zwanzig Bruderschaften gegründet. Der Kampf gegen die Sklavenjäger gelang immer erfolgreicher … jedes Zeltdorf wurde sorgsam geschützt … kein weiterer Clan der Turuska musste untergehen …
Schaman führte die allererste Bruderschaft etliche Jahre an. Er tötete persönlich mehr Feinde, als das Haus Kuma Mitglieder gehabt hatte. Es wird berichtet, dass sein Katra so hart und grausam geworden war, dass sich manchmal die eigenen Waffenbrüder vor ihm fürchteten.
Die Sklavenjäger hassten den neuen Gegner, der ihnen so gründlich das Geschäft verdarb. Sie schickten dunkelhäutige Abkömmlinge von Sklaven als Späher und Mörder zu den Zelten der Turuska. Viele von ihnen offenbarten sich den Clans und durften bleiben. Einige Verräter kamen mit wichtigen Geheimnissen zurück … der Name Schamans war eins davon. Sie beobachteten ihn heimlich, erkundeten seine Gewohnheiten … und fingen ihn schließlich, als er mit einem jungen Waffenbruder hinaus zu den A’Kweth ging. Den jungen Mann ließen sie laufen, damit er zu den Häusern der Turuska die Nachricht von der Gefangennahme des großen Anführers brachte. Sie hofften, die Ah’Maral damit zu demoralisieren … aber das Gegenteil war der Fall. In seinem Namen stürzten sich die Krieger in den Kampf. Es gelang ihnen, das gesamte Siedlungsgebiet der Turuska abzugrenzen und zu sichern. Wer sich nun über eine bestimmte, imaginäre Grenze hinaus wagte, musste sterben.
Niemand weiß, was aus Schaman geworden ist. Auf den Sklavenmärkten ist er niemals aufgetaucht, es gibt keine Aufzeichnungen mehr über die Samenbanken … und über das, was in den inneren Gemächern der reichen Häuser geschah, existieren nur Gerüchte. Eines besagt, dass Schaman, nachdem sie seine Erbanlagen gründlich ausgebeutet hatten, bei einem prunkvollen Hochzeitsfest zum Vergnügen der Gäste langsam und qualvoll getötet wurde … sie verwendeten damals schon jene widerlichen Drogen, mit denen die Mentalkontrolle ausgeschaltet, der Geist völlig hilflos und der Körper schmerzempfindlicher gemacht werden kann. Eins ist sicher … es gibt auf ganz Vulkan niemand, der mehr gelitten hat, als Schaman aus dem Hause Kuma. Wir sind es ihm schuldig, sein Erbe zu bewahren.
(Auszug aus: Anneliese Wipperling, „Der Älteste Krieger“ )
Die Hymne der Ah’Maral
Autorin: T’Liza aus dem Hause Boras
(Übersetzung von Anneliese Wipperling)
Die Sonne geht auf,
über dem Sand,
dem Meer
und den Wäldern.
Die Städte erwachen
im Morgenlicht.
Wir reinigen uns
von der Hitze der Nacht
und den Träumen.
Arbeit in Frieden
wartet auf uns.
Für Vulkans Ernst
und die Fröhlichkeit Terras,
den Kampfgeist von Andor
und Betazeds Traum,
für die Vielfalt des Lebens,
für Frieden und Freiheit,
für alle Planeten
der Föderation…
Die Sonne steht hoch
über dem Stein,
dem Haus
und den Bergen.
Die Städte ersehnen
den kühlen Wind.
Wir essen die Frucht
und trinken das Wasser,
ruhen uns aus,
reden mit andern
Freunde sind wir.
Für Vulkans Ernst
und die Fröhlichkeit Terras,
den Kampfgeist von Andor
und Betazeds Traum,
für die Vielfalt des Lebens,
für Frieden und Freiheit,
für alle Planeten
der Föderation…
Die Sonne versinkt
hinter dem Eis,
dem Fels,
und den Wassern,
die Städte schmücken sich
mit funkelndem Licht.
Wir berühren die Haut,
streifen den Geist
unserer Liebsten,
hoffen daß mehr
kommt mit der Nacht.
Für Vulkans Ernst
und die Fröhlichkeit Terras,
den Kampfgeist von Andor
und Betazeds Traum,
für die Vielfalt des Lebens,
für Frieden und Freiheit,
für alle Planeten
der Föderation…
Ein Stern erglänzt
hell in der Nacht,
dem Schlaf,
der Entrückung.
Die Städte der Welten
seufzen im Wind.
Sie leben den Traum,
löschen den Brand,
wiegen das Kind,
lindern die Angst,
heilen den Schmerz.
Für Vulkans Ernst
und die Fröhlichkeit Terras,
den Kampfgeist von Andor
und Betazeds Traum,
für die Vielfalt des Lebens,
für Frieden und Freiheit,
für alle Planeten
der Föderation…
(C) Anneliese Wipperling, 2002
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