Buchverfilmungen gehören wohl zum Schwierigsten, womit sich Filmemacher herumschlagen müssen: Die Handlung an den richtigen Stellen straffen und verändern, ohne dass man von den Fans der Romanvorlage gelyncht wird. Visualisieren, was eigentlich nicht zu visualisieren geht. Vereinfachen, ohne zu verflachen. Präsente Charaktere schaffen, ohne dass man wirklich zeigen kann, was in ihnen vorgeht.
Eine Quadratur des Kreises, möchte man meinen. Auf jeden Fall ein Sch***job.
Dass es trotzdem funktionieren kann, zeigt „Herr der Ringe“ und „Harry Potter“ .
Ist es bei den „Illuminati“ ebenfalls gelungen?
Ich hoffe, ich werde nicht kopfüber gekreuzigt und gebrandmarkt, wenn ich laut NEIN sage.
Auch wenn man NICHT mit der naiven Vorstellungen herangeht, eine 1:1 Adoption des Romans zu bekommen, bleiben Vergleiche zum Buch nicht aus: Welche Änderungen sind gut und notwendig? Welche hätten nicht sein müssen? Welche hätte nicht sein dürfen?
So erhielt meine Begeisterung über den Film den ersten Dämpfer, als sich herausstellte, dass das Mordopfer in der CERN nicht Vittorias Vater, sondern „nur“ ihr Arbeitskollege war. Wie befürchtet, nimmt diese Änderung Vittoria Vetra ihre Tragik, ihren Hintergrund, ihre Motivation und so nebenbei auch ihr italienisches Temperament.
Ohne das und ohne die erotische Spannung zwischen ihr und Langdon bleibt ihr nur, durch den Vatikan zu stöckeln und gut auszusehen.
Dass die Figur des CERN-Direktors Kohler gestrichen wurde, ist ebenfalls sehr bedauerlich. Für die Schnitzeljagd quer durch Rom, auf die das Buch letztendlich reduziert wurde, mag der verbiesterte Wissenschaftler entbehrlich gewesen sein. Aber für den eigentlichen Dreh- und Angelpunkt der Handlung, nämlich die Frage Religion vs. Wissenschaft, ist Kohlers Schicksal eine unverzichtbare Facette. Außerdem hat Kohler für einen zusätzlichen Spannungskick gesorgt, als er in klassischer Krimi- und Thrillermanier den Leser auf eine falsche Fährte gelockt hat.
Nun könnte man dagegensetzen, dass der Film spannend genug ist und so ein Verwirrspiel nicht nötig hat.
Dem kann ich nicht wirklich zustimmen: „Illuminati“ wird zwar keine Minute langweilig, aber durch die Hetzjagd von einem toten Kardinal zum nächsten entsteht noch lange kein Spannungsbogen.
Trotz brutaler Morde an Kirchenvertretern in imposanter Kulisse wirkt der Film merkwürdig steril, blutarm. Das liegt nicht nur daran, dass die hektische Inszenierung keine Zeit lässt, das Geschehene in seiner ganzen Grausamkeit wirken lassen. Es liegt auch daran, dass man sich mit Charakteren ohne Background und Profil schlecht identifizieren oder emotional mitreißen lassen kann.
Nun wurde bereits gesagt, dass man nicht alle Hintergrundinfos aus dem Buch in einen Film packen kann. Trotzdem wäre die eine oder andere Rückblende vielleicht angebracht gewesen, um die Figuren dem Zuschauer nahezubringen.
So liegt es allein an den Schauspielern, durch ihre Präsenz zu retten, was der Drehbuchautor in den Sand gesetzt hat. Doch leider erweisen sie sich beinahe durch die Bank als Fehlbesetzung, angefangen mit Tom Hanks.
Der wohlverdiente zweifache Oskarpreisträger war für seine Rollen in Forrest Gump und Philadelphia perfekt und eine gewisse Perfektion kann man ihm auch in Illuminati nicht absprechen: Er bringt es fertig, aus Robert Langdon den perfekten Langweiler zu machen. Zwar entspricht er auf den ersten Blick der Beschreibung im Buch und man glaubt ihm ohne Weiteres, dass er Stunden und Tage in staubigen Bibliotheken mit alten Büchern zubringen kann. Aber das war’s dann auch schon. So manche steinerne Engelsfigur versprüht mehr Charisma als sein Prof. Langdon.
Schon im Buch ist Langdon keine besonders schillernde Persönlichkeit – aber der Film schafft es, auch seine letzten Ecken und Kanten glatt zu bügeln, bis eine Art wandelndes Lexikon übrig bleibt.
Insofern ist es ganz vernünftig, dass sie die Liebesgeschichte mit Vittoria weggelassen haben, denn dafür wirken beide Hauptcharaktere zu unterkühlt (wahrscheinlich, um irgendein dämliches, realitätsfernes Wissenschaftlerklischee zu erfüllen).
Auch Ewan McGregor als Camerlengo erscheint zu glatt, als das man ihm den verrückten religiösen Fanatiker abkaufen möchte. Genau wie bei Tom Hank sei dahingestellt, ob es am Darsteller liegt, am Drehbuch oder an beidem.
Die Hintergrundgeschichte des Camerlengos auf so drastische Weise abzuändern, nimmt dem Charakter nicht nur ein gutes Stück Plausibilität, sondern schraubt die Kirchenkritik auf ein beinahe Ratzinger-verträgliches Maß runter. Besonders, da auch Kohler mitsamt seinem völlig verständlichen Hass auf die Kirche unter den Tisch gefallen ist.
Dass der Kommandant der Schweizergarde plötzlich einen deutschen Namen trägt, kann man als künstlerische Freiheit akzeptieren. Nur schade, dass die Technologie der CERN noch nicht weit genug entwickelt war, um ihn mal schnell in ein deutsches Finanzamt zu beamen, wo er viel besser hinpassen würde.
Noch unverzeihlicher ist der völlig farblose Assassine!
Ayelet Zurer als Vittoria passt zwar optisch, aber aus oben genannten Gründen, überzeugt sie ebenfalls nicht.
Nun zu den Pluspunkten (ja, die gibt es auch – allerdings nicht viele): Der Film besticht von der ersten Minute an durch seine exzellente Optik und Kameraführung. Gerade wenn man bedenkt, dass der Vatikan die Dreherlaubnis an Originalschauplätzen verweigert hat und die Kirchenaufnahmen größtenteils am Computer entstanden sind, kann man nur sagen: Respekt!
Manche Einzelsequenzen sind zweifellos Klasse – allen voran die im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubende Szene im Vatikanarchiv. Zu den optisch-dramatischen Highlights gehört auch die Antimaterie-Explosion am Himmel.
Aber das alles macht die Enttäuschung über den Substanzverlust nicht wett. Wo „Sakrileg“ stellenweise zu lahm und dialoglastig war, fallen hier alle tiefgründigen Gespräche über Gott und die Welt der Schere zum Opfer. Schade, der Streifen hätte mindestens 30 Minuten länger sein können.
Fazit: Unterhaltsames Popcorn-Kino, das der Buchvorlage nicht gerecht wird. Insgesamt 5 von 10 Punkten wert: 2 für die Optik, einer für Atmosphäre, einer für Action und ein Mitleidspunkt für die armen Darsteller, die allesamt Charaktere ohne Eigenschaften spielen müssen.
© 2009 by Adriana Wipperling
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