Aurijah Lah von Warkan

Zeit: Gegenwart

Die Warkaner sind anspruchslose Herdenwesen und sehen irdischen Pferden ähnlich. Ihre Zivilisation entwickelte sich mit Unterstützung durch die Heylaner. Sie sind gute Biologen und Heiler … und sie lieben es, in Sonnenuntergänge zu galoppieren und pathetische Hymnen zu wiehern. Ihr Stil ist manchmal so schwülstig, dass Vertreter anderer Spezies der Liga davon Zahnschmerzen bekommen. Die junge Aurijah Lah ist ein Ausnahmetalent, deren Werke auch auf anderen Welten geschätzt werden.

Von den Sternen I

Nichts Gutes kommt von oben.
Nur Krallen und Zähne.
Wandelnde Mägen.
Giftiger Speichel.

Die Wikissa kamen von oben.
In metallenen Röhren.
Mit Lähmungsstrahlen
und zischenden Lasern.

Allmächtige Feuer speiende
Drachen mit schnellen Gleitern
und scharfen Sensoren,
die uns überall fanden.

Wir konnten nur schreien,
wiehern und tobenm
während sie schmatzend
Unsere Fohlen fraßen.

Wir fürchten uns immer noch
wenn Schatten von oben
uns lautlos streifen
und die Sonne verdunkeln.

(C) 2017 Anneliese Wipperling
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Von den Sternen II

Wieder so ein Schatten über uns.
Wieder das trostlose Wiehern der Mütter!
Wieder das harte Trommeln der Väter!
Wieder die Panik der Herde.
Wieder Flucht in die Berge.

Ein schwarzes Ding aus Metall
brummt zwischen den Bäumen.

Jagt uns!
Schaut uns
mit starren
Glasaugen an!

Wir schreien
Ohren betäubend.

Angst!
Angst!
Angst!

Fremde kommen
von allen Seiten!

Wir
können
nicht
weg!

Nein, das sind keine gierigen Drachen.
Diesmal nicht.
Es sind Humanoide.
Noch wissen wir nicht
was das ist.

Aber es flüstert in jedem von uns
durchdringend.

„Gute Gedanken und Frieden!
Wir bringen gute Gedanken und Frieden.
Wir kommen von einer Welt
aus Sand und Hitze.
Wir essen kein Fleisch.
Wir bringen euch Frieden
und Sicherheit.“

Die Herde zittert immer noch
fluchtbereit.

Das Fremde rückt näher,
fasst uns an.

Kann es sein, dass uns
diesmal Freunde
gefunden haben?

Wahre Freunde?
Sternenmänner?
Sternenfrauen?

Der Schatten über uns
hat unsere Leben in Licht getaucht.

Wir lernen
die Logik zu ehren.
Wir verstehen.

(C) 2017 Anneliese Wipperling
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Zu den Sternen

Zeit: Gegenwart

Das heylanische Shuttle weckt Fluchtimpulse in mir. Unsere Zivilisation ist erst hundert Jahre alt. Da sind die Instinkte immer noch stärker als die Vernunft.
Ohne Pillen würde ich in einer engen Blechbüchse durchdrehen. Wir Warkaner hassen geschlossene Räume. Wir schlafen auf der Weide unter Bäumen und wenn der Regen durch das Blätterdach tröpfelt, nehmen wir das als zusätzliche Reinigung des Fells gerne hin.
„Regen macht schön“, sagte meine Mutter immer.
Sie war eines der letzten Opfer der räuberischen Wikissa. Inzwischen wacht die Ligaflotte im Orbit über unsere Sicherheit und die Verteidiger der Herden tragen Lasergewehre. Sollen sich die verfressenen Biester doch woanders bedienen. Uns kriegen sie nicht mehr!
Irgendwie ist das Shuttle innen noch winziger als von außen. Ich schlucke hart. Ich würde jetzt gern äpfeln.
„Keine Angst!“, versucht mich der schwarze heylanische Pilot zu beruhigen und bläst mir freundlich in die bebenden Nüstern. „Wir docken in zwölf Hum´Timas an der ENNU 87 A an. Da hast du genug Platz.“
„Ich hab Bauchschmerzen“, wiehere ich leise.
Der Pilot holt einen Eimer und streichelt mich, während ich mich entleere.
„So schlimm? Du Arme! Aber du wirst dich, an interstellare Reisen gewöhnen müssen. Heyla´Thur und die Uni warten auf dich und die Liga braucht deine Lieder.“
Der Mann hat recht. Wenn wir Warkaner richtig dazu gehören wollen, müssen wir unsere Klaustrophobie überwinden.
„Ein guter Umahaij-Meister könnte dir helfen“, empfiehlt mein neuer Freund im Hinausgehen.
Er bringt den Eimer in die Frachtabteilung. Die ENNU 87 A ist ein Luxusliner, der sogar über ein Arboretum verfügt. Vermutlich werden meine Äpfel an die Bäume verfüttert. Ich freue mich schon darauf, unter ihnen zu galoppieren und zu grasen.
Meine Kabine gefällt mir. Sie ist ziemlich groß, die spärlichen Möbel und die Kommunikationsanlage sind an den Wänden befestigt. In einer Ecke befindet sich ein wundervoll duftender Heuhaufen. Durch ein schwaches Kraftfeld gelangt man in eine Sanitärzelle mit Dusche und einer selbstreinigenden Mulde für die Fäkalien. Bequemer geht es nicht!
„Danke!“, schnaube ich gerührt. „Ihr habt an alles gedacht.“
„Du bist nicht unser erster warkanischer Passagier.“
„Trotzdem danke!“
Ich habe nur sehr wenig Gepäck: meine Identicard, ein paar Datenträger, ein Bild meiner Mutter, ein Holzkamm zum Entwirren von Mähne und Schweif, eine Nachricht meines Leithengstes.
Meine Herde! Sie fehlt mir jetzt schon!
Unser Chef ist ein wunderschöner blauschwarzer Männlicher.
„In den Semesterferien nehmen wir uns viel Zeit füreinander“, hat er mir versprochen.
Es fing da hinten sofort an zu ziehen und zu pochen.
„Nicht hier und jetzt, Aurijah! Wir sind keine Tiere mehr!“, mahnte mein Chef würdevoll. Momentan verhindert ein Implantat, dass ich auf dumme Gedanken kommen kann.
Ich packe meine Habseligkeiten in ein Wandregal und betrachte dabei, wie schon oft, meine Hände. Wir Warkaner sind die einzigen Hufträger im uns bekannten Universum, die neben ihren vier schnellen Beinen auch Arme und Hände haben. Könnte es sein, dass wir genetisch verändert wurden … auf unsere Rolle als vernunftbegabte Wesen vorbereitet?
Wer mag das getan haben?
Eine Supermacht, die noch älter ist als die Humili? Eine längst ausgestorbene Supermacht? Egal! Ich bin meinen Schöpfern dankbar!
Ich kann galoppieren und die Welt mit Händen greifen. Ich kann denken und träumen. Meine Instinkte sind immer noch messerscharf. Mein Geist fliegt durch die Wolken zu fernen Planeten.
Ich freue mich auf Heyla, obwohl das Klima und die Schwerkraft dort mörderisch sein sollen. Die Universität von Heyla´Thur ist die angesehenste im ganzen Roten Sektor … und ich darf dort studieren! Meine Herde platzt beinahe vor Stolz. Ich platze beinahe vor Stolz.
Und außerdem: Ein Planet voller Vegetarier ist ein wunderbarer und sicherer Ort für Meinesgleichen.
Ich darf nur nicht allein in die Wüste gehen. Da jagen nämlich die Raspayatis …

(C) 2017 Anneliese Wipperling
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