J.J. Abrams führt Star Trek in die Dunkelheit – so die wortwörtliche Übersetzung des Titels. Im Trailer wird erst mal die Enterprise kaputt gemacht und stürzt ab, was irgendwie bezeichnend ist – auch wenn der Trailer sonst nicht viel über den Film aussagt.
Der Film ist über zwei Stunden lang und natürlich viel komplexer. Da werden nicht nur Sachen kaputt gemacht – es wird auch gezeigt, warum sie kaputt gemacht werden. Untermalt von bombastischen Effekten und wunderschönen Stellarnebeln.
Optisch und tricktechnisch steht der Film seinem Vorgänger in nichts nach und kann z.T. sogar einiges draufsatteln: Die ENTERPRISE wird mehrfach auf stilvolle Weise geschreddert, versenkt, zum Qualmen gebracht und auf fremden Planeten Baden geschickt.
Von dem Anspruch, das beste Star Trek Movie aller Zeiten zu sein, ist „Into Darkness“ trotzdem Lichtjahre entfernt.
Ehrlich gesagt, gefiel mir sogar ST 11 besser – und das will schon etwas heißen ;). Man kann gegen das Abrams-Reboot sagen was man will – trotzdem war ST 11 frisch und witzig und hat die Balance zwischen Action, Charakterzeichnung, Humor und Drama m.E. besser gemeistert als sein Nachfolger. Neben dem Effektspektakel gab es ein paar sehr emotionale Momente, allem voran der Tod von Kirks Vater. An der Stelle hatte ich damals beinahe im Kino geheult – bei Star Trek 12 passierte mir das kein einziges Mal.
Positiv hebt sich der neue Film gegen seinen Vorgänger vor allen durch zwei Dinge ab:
1) Kein Product-Placement! Kein Nokia ;).
2) Die Lensflares wurden auf ein erträgliches Maß reduziert.
Die Charaktere haben ihren Platz gefunden, aber eine echte Entwicklung findet nur bei Kirk und Spock statt.
Uhura bleibt taff und hat zum Glück etwas mehr zu tun: Sie darf einige Male schießen, mit Klingonen reden, auf ihren spitzohrigen Lover sauer sein … und sie wird sogar gewürgt! Das, so dachte ich nach ST 11, wäre ein Privileg von Kirk ;).
Sulu spielt einmal den Captain und Chekov einmal den Chefingenieur. Pille tritt zu meinem großen Bedauern etwas in den Hintergrund – dafür mausert sich Scotty ganz gut raus. Allein wie er in den Kommunikator schnauft: „Bleiben Sie dran, ich renne gerade!“ hat im ganzen Kino für Lacher gesorgt. Als er den Dienst quittieren will, weil er wegen der Stationierung der neuen Torpedos an Bord nicht gefragt wurde, reagiert er vielleicht übertrieben, aber wenigstens beweist er, dass er mehr sein kann als der Klassenclown der ENTERPRISE.
Neuzugang Alice Eve als Carol Marcus liefert eine solide Performance ab, könnte aber überzeugender sein, wenn sie eine Tick älter und erfahrener wäre.
Aber was erwarte ich … Laut FSK ist der Film nicht für Zuschauer unter 12 Jahren geeignet. Aber auch nicht für Zuschauer über zwölf.
Wie jede Frau im Abramsverse muss sich natürlich auch Carol bis auf die Unterwäsche ausziehen, bevor sie was Sinnvolles zu tun kriegt. Dabei wird noch nicht mal Kirks zukünftiger Sohn gezeugt, sonst hätte der Striptease wenigstens Sinn gemacht.
Ich frage mich, warum Scottys „Bleiben Sie dran, ich renne!“ nicht gleich aufs Filmplakat gedruckt worden ist, denn es bringt die Handlung prima auf den Punkt: Hier wird von einer Actionsequenz zur nächsten gehetzt – daher gilt wie beim Vorgänger-Streifen: zurücklehnen, Popcorn knabbern, Gehirn auf Standby.
Genau wie bei ST 11 muss ich auch diesmal sagen: Der Anfang war noch das Beste. Eine coole Planetenlandschaft, die Enterprise unter Wasser, Spock im Vulkan (Star Wars lässt wieder mal grüßen ;)) … dazu eine kalte Fusionsbombe, die bei ihrer Explosion in letzter Minute den Vulkan erkalten lässt (alles klar – ich hätte gern zehn dieser Bomben für unsere Freiwillige Feuerwehr ;)) … und als Sahnehäubchen ein Götzenbild der ENTERPRISE, das von den Eingeborenen des Planeten maßstabsgetreu in den Sand geritzt wird. Herrlich! 🙂
Anders als beim guten alten TOS, wo gern alle Hühneraugen zugedrückt wurden, wenn Kirk mal wieder John Wayne gespielt hat, und die Oberste Direktive bestenfalls eine Fußnote wert war, wird der frischgebackene Jung-Captain gleich wieder auf die Akademie zurück geschickt.
Ich war gerade am Feixen, weil ihm das Recht geschieht – aber dann kommt so ein Psychopath und legt kurz darauf das Hauptquartier in Schutt und Asche, räumt Pike aus dem Weg, so dass der jugendliche Helden mit den strahlenden blauen Augen binnen fünf Minuten wieder auf den Stuhl in der Mitte zurück katapultiert wird. Zur Freude aller Girlies, denen Pike zu alt und Spock zu steif wäre.
Wider Erwarten kriegt es der junge Schnösel nicht endgültig im Kopp, sondern entwickelt sogar ein wenig Reife. Chris Pine als Kirk hat drei große Momente in diesem Film:
1) als Pike stirbt,
2) als er einsieht, dass Spock weiß was er tut – im Gegensatz zu ihm,
3) als er selbst sterben muss.
In Bezug auf seinen spitzohrigen Ersten Offizier zeigt sich leider, dass
1) Irren menschlich ist,
2) Charakterentwicklung nicht immer positiv sein muss.
Hätte Spock tatsächlich gewusst, was er tut, müsste er nicht sein Alter Ego anrufen (m.E. nichts weiter als ein durchsichtiger Vorwand für einen komplett überflüssigen Gastauftritt von Leonard Nimoy). Dass der alte Spock nichts Konkretes über die Zukunft verraten wird, war zu erwarten.
Aber das ist leider nicht das einzige Mal, wo die Logik das Vulkaniers vorübergehend aussetzt. Unser besonnenes Spitzohr mutiert gegen Ende zu einer Kreuzung aus Rambo und Hulk, der härter zuschlägt, als sein Captain. Damit dürfte das zivilisatorische Erbe Vulkans endgültig im Schwarzen Loch verschwunden sein :(.
Kommen wir zu den Bösewichten.
Benedict Cumberbatch ist zwar charismatisch und cool, aber als Khan völlig fehlbesetzt. Ihm fehlt nicht nur das Feuer eines Ricardo Montalban – er ist auch optisch das vollkommene Gegenteil. Selbst eine Veränderung der Zeitline macht aus einem großen, dunklen Inder kein britisches Bleichgesicht. Jedenfalls nicht diese Zeitline, denn bei der Besetzung der ENTERPRISE-Crew hat man wenigstens noch halbwegs darauf geachtet, dass die Typen optisch zu TOS passen, Uhura war nicht plötzlich weiß, Scotty schwarz und Carol brünett ;).
Nicht nur deshalb hätte es Abrams & Co. gut getan, einen völlig neuen Gegner zu erfinden, anstatt Schnipsel aus den Drehbüchern von Star Trek II, James Bond und Hot Shots zusammenzukleben. Das Ergebnis ist zwar bunt, aber nicht stimmig.
Zurück zu den Bösewichten (Plural – richtig). Der wahre Oberarmleuchter ist nämlich nicht Khan, der letztendlich nur seine Leute schützen will, sondern ein machtgeiler Sternenflottenadmiral, gegen den Leyton und Dougherty wie fromme Chorknaben wirken. Während die Beweggründe der letzteren zwei noch irgendwie verständlich waren, will Admiral Marcus einfach nur Krieg.
Warum? Weil er sich hinter seinem Schreibtisch langweilt? Oder weil er in darwinistischer Manier glaubt, dass die Menschen nur durch Kampf stärker werden?
Kirk bringt es in seiner Rede zum Schluss auf den Punkt: Da draußen gibt es immer jemanden, der uns ans Fell möchte – und diese Bedrohungen abzuwehren, ruft manchmal unsere schlimmsten Seiten wach.
Aus meiner Sicht der einzige Moment, wo der Film wirklich Tiefgang zeigt.
Der zwölfte Star Trek Streifen befindet sich damit voll im Zeitgeist: Es geht – spätestens seit dem 11. September – schon lange nicht mehr um Ideale oder die Vorstellungen von einer besseren Zukunft, sondern um die Abwehr von Befrohungen. Darum, dass wir so hart werden müssen, wie die bösen Jungs da draußen, wenn wir überleben wollen.
Serien wie Battlestar Galactica, Game of Thrones oder sogar die letzten Staffeln Deep Space Nine laufen im Grunde auf das Gleiche hinaus. Von daher passt der Titel „Into Darkness“ schon ganz gut.
Aber vielleicht hat Abrams wenigstens eine Taschenlampe mitgenommen. Der Beginn der Fünf-Jahres-Mission lässt ein bisschen darauf hoffen.
Trotzdem bleibt die Befürchtung, dass wieder nur alte TOS-Drehbücher abgekupfert und in bunten Stellarnebeln verpackt werden.
(C) 2013 Adriana Wipperling
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