Dies ist eine Anthologie des Glasvogelschwarms Und so klingen unsere Lieder …
Walter Kiesenhofer: „Sprache: Ob sie tatsächlich den Raum krümmt? Ob Wörter, in Sätzen zu Sonnen gebrannt, neue Milchstraßen zeugen …“
Gabriele Scharf: „Ich sah auf dem Boden den verwelkten Strauß, der für mich immer noch ein Meer von leuchtendem Blau und goldenem Gelb war.“
Ramona Scheerer: „Auf einmal sind diese Federn überall, umhüllen warm und voller Herzlichkeit. ‚Willkommen’, wispert es. ‚Willkommen im magischen Land.’“
Adriana Wipperling: „Das Abendrot versickert. Es brodelt in den Blütenkelchen als Magma …“
Anneliese Wipperling: „Die Logik schlummert, eingehüllt in wisperndes Haar und gedämpften Gesang. Augäpfel rollen hinter geschlossenen Lidern über mystische Klippen …“
Textauszüge:
Auszug aus der Kurzgeschichte “Mira” von Adriana Wipperling:
Unsere Familie war nicht länger vollständig.
Das Leben ging weiter, aber es wirkte substanzlos und fad auf mich. Schon das Frühstück war öde, ohne Katze, die mir die Leberwurst vom Brot leckte.
Ich fand die Lederjacke wieder, die Mira auf dem Gewissen hatte. Die neueste Mode und pflanzlich gegerbtes Ökoleder – nicht gerade billig. Das Maximum, was ich mir als arme Studentin leisten konnte.
Dieses verdammte pelzige kleine Aas!
Ich kann mir nicht einmal vorwerfen, ich hätte nicht aufgepasst. Ich habe die Jacke immer in den Schrank gehängt und die Türen niemals offen gelassen. Schließlich wusste ich, dass meine Mi verrückt nach Leder war.
Dummerweise besaß mein Kleiderschrank Schiebetüren, die sehr leicht auf und zu gingen. Nicht sehr praktisch, wenn man eine hochintelligente Katze mit krimineller Veranlagung hat.
Eines Tages erwartete mich ein Anblick des Grauens: Der Schrank war offen, darin lag Mira, die sich aus meinen
Klamotten ein Nest gebaut hatte, und thronte mit siegesgewissem Blick auf meiner Designer-Lederjacke!
Ihr Beitrag zum Design war ein Muster aus tiefen Kratzern.
Sie war ein Mistvieh, aber ich habe sie über alles geliebt.
Ich verbarg mein Gesicht in der Jacke und heulte Rotz und Wasser.
Auszug aus “Blaue Sonne ” von Gabriele Scharf:
Ich laufe. Seitdem du mir sagtest, ich würde es nie wieder tun können.
Ich sehe nur die flirrende Hitze der Straße und fühle die Schmerzen mit jeder Faser meines Körpers, und laufe.
Seitdem du mir sagtest, dass ich von den Schmerzen nicht weglaufen könnte.
Du hast dich geirrt.
Einmal werde ich schneller sein.
Irgendwann werde ich es schaffen.
Dann, wenn ich dort oben am Rand der Stadt stehen und lachen werde.
Wenn nicht dort oben, dann irgendwo anders.
Wenn es sein muss, werde ich bis ans Ende der Welt laufen.
Ramona “RAY” Scheerer: Ende und Anfang
Wenn der Wind
die Asche aufwirbelt,
ist alles vorbei,
ist alles zu spät.
Lest die Asche auf
in einen irdenen Krug
und vergrabt diesen
tief in der Erde.
Daraus
soll neue Frucht erwachsen
für unser Leben.
Etwas davon
gebt ins Wasser.
Auf dass es uns ewig
friedlich gesonnen sei.
Walter Kiesenhofer: Neue Tage der Empfindsamkeit
Leg den Finger auf den Mond;
schüttle die Sterne
nicht von deinen Schultern
und lass die Erde
zwischen deinen Zehen
ganz warm werden.
Unter den Rändern
deiner Fingernägel entstehen
neue Tage der Empfindsamkeit,
in denen du sehen wirst
was du erahntest.
Unter dem Regenbogen
deiner Zuneigung öffnet sich
das Jetzt ganz mühelos.
Anneliese Wipperling: Infame Vision
Über der weißen zerstörten Stadt thronen
feldgraue Räuber auf hohen
gleißenden Säulen
aus Glas.
Sie heben die pelzigen Schnauzen
zum fahlen gedunsenen Mond.
Verkünden dröhnend
blutige Strafen
für jeden.
Von ihren rauen fleckigen Roben
tropft pure Schwärze in
ein wogendes Meer aus
angstvoll gesenkten
Köpfen.
Aus der freien Wüste schleudern
dunkle Krieger Nacht für Nacht
ihre eiserne Speere
zum Richtplatz.
Ab und zu stürzt eine getroffene Bestie
blutend und fauchend
vom Thron.
Und irgendwer wagt es
zu jubeln.
Lautlos.
Illustrationen:
Farbcover & Illustrationen: | Adriana Wipperling |
Seitenzahl: | 232 Seiten DIN A5 |
Preis: | 15,85 EURO |
Bezug: | Engelsdorfer VerlagB E S T E L L E N Â Â |
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